Die Zauberer 01 - Die Zauberer
über weit größere Erfahrung verfügte als sie, war dies kein Thema, über das er sich mit einer so schönen jungen Frau unterhalten wollte. Jedenfalls nicht beim allerersten Treffen ...
Er wollte gerade etwas sagen, als sich ein anderer Elf zu ihm und Alannah gesellte. Seinem Äußeren nach war er in Alannahs Alter. Seine Gestalt war hager, langes blondes Haar wallte offen über seine Schultern. Bekleidet war auch er mit einer weißen Tunika und mit einem ebenso weißen Umhang, aber anders als Alannah blickte er streng, geradezu grimmig drein. Er sagte etwas auf Elfisch, worauf sich ein kurzer Wortwechsel zwischen ihm und Alannah entspann, bis sie entschieden den Kopf schüttelte.
»Nein«, sagte sie schließlich in der Sprache der Menschen, »er hat mich nicht belästigt, Aldur. Außerdem ist es unhöflich, vor ihm in einer Sprache zu sprechen, deren er nicht mächtig ist.«
»Er spricht also kein Elfisch?«, fragte der Elf und bedachte Granock mit einem vernichtenden Blick. »Warum wundert mich das nicht?«
»Shumai«, sagte dieser und lächelte unbeholfen. »Zu mehr reicht es leider noch nicht.«
»Und dennoch haben sie dich genommen«, murrte Aldur, der mit dieser Entscheidung des Hohen Rates offenbar ganz und gar nicht einverstanden war.
»Ja.« Granock zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wieso. Muss wohl an meinen verborgenen Fähigkeiten liegen ...« »Fähigkeiten? Was weißt du schon von Fähigkeiten?«, fuhr der Elf ihn an. »Meine Familie hat seit vielen Generationen mächtige Zauberer hervorgebracht. Und wer bist du?« Verächtlich zog er die Mundwinkel nach unten und fügte noch hinzu: »Oder sollte die Frage besser lauten: Was bist du?«
»Lass ihn in Frieden«, ergriff Alannah für Granock Partei, ehe dieser etwas entgegnen konnte.
»Du stellst dich auf die Seite des Menschen?«, fragte Aldur in einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung. Er schnaufte verächtlich. »Er ist der Erste seiner Art, der in diese Hallen aufgenommen wurde. Und das ausgerechnet zusammen mit uns!«
»Ich stelle mich auf niemandes Seite«, berichtigte sie ihn. »Aber der Hohe Rat hat seine Aufnahme in den Orden beschlossen, und es steht weder mir noch dir noch sonst jemandem zu, diese Entscheidung infrage zu stellen.« »Hör zu«, meinte Granock, der sich unwohl fühlte in seiner Haut - nicht nur, weil er sich wie ein Aussätziger vorkam, sondern auch, weil ein Mädchen für ihn die Verteidigung übernommen hatte. Er wandte sich Aldur zu. »Ich will keinen Ärger, verstehst du? Als Farawyn mich fragte ...«
»Meister Farawyn«, verbesserte Aldur.
»Na schön - als Meister Farawyn mich fragte, ob ich nach Shakara mitkommen will, da hatte ich nicht groß die Wahl. Denn andernfalls hätte mich die Stadtwache von Andaril geschnappt und in den Kerker geworfen.« »In den Kerker?«, fragte Alannah. »Was hast du verbrochen?« »Nichts weiter«, versicherte Granock. »Nur hin und wieder was... hm ... geborgt.«
»Gestohlen«, drückte Aldur es ein wenig klarer aus. »Du bist ein elender Dieb.«
»Von irgendwas musste ich ja leben«, verteidigte sich Granock. »Außerdem glaube ich nicht, dass sich einer von euch vorstellen kann, wie es in so einer Menschenstadt ist.«
Alannah hob die Brauen. »Wie meinst du das?«
»Na ja, ihr mit euren strahlenden Palästen, euren gepflegten Gärten und dem ganzen Schnickschnack - ihr habt doch gar keine Ahnung, was draußen in der Welt vor sich geht. Während ihr im Überfluss schwelgt und euch den Kopf zerbrecht über Fragen der Philosophie, über den Sinn des Lebens und das Wesen des Kosmos', kämpfen die Menschen tagtäglich ums Überleben.« »Was du nicht sagst«, entgegnete Aldur und musterte ihn geringschätzig. »Dass du mit Philosophie nicht viel zu schaffen hast, sieht man dir an.« Granock merkte, wie die Wut in ihm hochschäumte. Dieser Aldur bestätigte all die Vorurteile, die er von jeher gegen Elfen gehabt hatte: Er war hochmütig und arrogant und von einer geradezu kaltherzigen Gleichgültigkeit hinsichtlich der wirklichen Welt. Granock war überzeugt, dass ein guter Teil des Elends, das in den Ostlanden herrschte, letztendlich dieser Gesinnung der Elfen zu verdanken war, die nichts gegen die Willkür der Fürsten und Clanchefs unternahmen. Schlimmer noch - wenn es ihnen zum Vorteil gereichte, hetzten sie die Menschenherrscher sogar noch gegeneinander auf, und es kümmerte sie nicht, wenn Hunderte Menschen in den Kriegen starben,
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