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Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer

Titel: Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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seine Abneigung gegen diesen Auftrag war so groß gewesen, dass er auch nicht darüber nachgedacht hatte, wie sie wohl aussehen mochte. Ganz gewiss jedoch hatte er sie sich nicht so vorgestellt.
    Sie war schön, wenn auch auf ihre eigene, aparte Weise. Ihre Züge waren ebenmäßig und hatten glücklicherweise nur wenig von ihrem Vater und ihrem Bruder; eine spitze, etwas vorwitzig wirkende Nase sprang aus einem Gesicht, dessen Wangen vielleicht ein wenig zu gerundet waren, und das üppige, von roten Bändern durchzogene schwarze Haar, das ihre Züge umrahmte, unterstrich diesen Eindruck noch. Ihre Augen waren groß und von hellbrauner Farbe, und sie betrachteten ihn auf eine Weise, die er nicht erwartet hatte. Nicht etwa fordernd oder feindselig, sondern, so schien es, mit einer gewissen Dankbarkeit.
    Was ihre Kleidung betraf, so kannte Granock die neuesten Gepflogenheiten bei Hofe nicht; aber er war sich ziemlich sicher, dass das scharlachrote Kleid, das ihre Gestalt umfloss, nicht unbedingt für offizielle Anlässe gedacht war. Die Ärmel waren weit geschnitten, an Brust und Hüften jedoch offenbarte der Stoff weibliche Rundungen, die Granocks Aufmerksamkeit ein wenig länger fesselten, als es schicklich war.
    Er senkte den Blick. »Lady Yrena«, murmelte er dazu und verbeugte sich.
    »Meister Lhurian«, erwiderte sie und lächelte. Es war ein warmherziges, zuvorkommendes Lächeln, das er ebenso wenig erwartet hatte wie ihre anmutige Erscheinung. Dass sie darauf verzichtet hatte, sich von einem ihrer Diener anmelden zu lassen, deutete darauf hin, dass sie ihrem Stand weniger Bedeutung beimaß, als es bei ihrem Bruder der Fall gewesen war. Und die Tatsache, dass sie ihm allein begegnete und auf die Anwesenheit von Wachen verzichtete, verriet ihren Mut. »Ich danke Euch, dass Ihr den weiten Weg nach Andaril auf Euch genommen habt.«
    »Und ich danke Euch dafür, dass Ihr mich empfangt«, entgegnete Granock mit der größtmöglichen Eleganz, zu der er sich befähigt fühlte.
    »Verzeiht, dass dies zu nächtlicher Stunde geschieht und Ihr Euch wie ein Dieb in die Burg schleichen musstet«, erwiderte sie, »aber es gibt Leute in meinen Reihen, die nicht gerade begeistert wären, wenn sie von diesem Zusammentreffen erführen.«
    Sie schaute ihn so unverwandt an, dass er innerlich zusammenzuckte. Da Elfen eine solche Direktheit als plump und bäuerisch ansahen, hatte er fast vergessen, wie wohltuend ein solch ehrlicher Blick sein konnte. Granock ertappte sich dabei, dass er Sympathie für diese Frau empfand, die so ganz anders zu sein schien als ...
    »Wein?«, erkundigte sie sich und deutete nach der Karaffe auf dem Beistelltisch.
    »Nein, danke.« Granock schüttelte den Kopf.
    »Weil es Euch untersagt ist, weltlichen Genüssen zu frönen?«
    Er lächelte schwach. »Das Einhalten gewisser Regeln gehört zu den Pflichten eines Zauberers, das ist wahr. Aber der Verzicht auf Wein zählt nicht dazu.«
    »Verzeiht«, sagte sie, während sie selbst nach einem der Becher griff und sich einschenkte. »Ich wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen. Es ist nur so, dass man kaum etwas über Euresgleichen weiß.«
    »Das ist so beabsichtigt.« Granocks Lächeln wurde ein wenig breiter. »Wir Zauberer lieben es, uns in Rätsel zu hüllen. Das macht uns schön geheimnisvoll.«

Yrena erwiderte nichts, sondern lächelte nur. Dann hob sie das Gefäß an und trank, während sein Blick an ihren weiblichen Formen empor und wieder herab wanderte. Als sie den Becher wieder senkte, sah er rasch zu Boden.
    »Und?«, erkundigte sie sich. »Wie gefällt es Euch, wieder bei den Menschen zu sein? Wie ich hörte, habt Ihr viele Jahre unter Elfen gelebt.«
    Selbst Granock, der in Belangen der Diplomatie wenig beschlagen war, wusste, dass dies der passende Zeitpunkt für ein Kompliment über Andaril und die Ostlande gewesen wäre, aber in Anbetracht der jüngsten Ereignisse verzichtete er darauf. »Offen gestanden, Mylady«, knurrte er, »finde ich alles unverändert vor. Auf den Straßen herrscht noch immer das Unrecht, die Reichen beuten die Armen noch immer aus, und Andaril ist noch immer ein stinkendes Dreckloch.«
    »Ihr seid sehr direkt«, entgegnete sie, ohne dass zu erkennen gewesen wäre, ob seine Worte sie verletzten.
    »Es ist die Art meiner Zunft«, sagte er nur.
    »Meister Lhurian«, sagte sie leise, »ich weiß, was geschehen ist. Man hat es mir berichtet, und es tut mir wirklich sehr leid. Bitte denkt nicht, dass mir der Tod Eures

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