Die Zehnte Gabe: Roman
Berberkrone auf dem Kopf und juwelenbesetzten, tropfenförmigen Ohrringen, die blasse Haut, das feurige Haar unter einem bunten Tuch verborgen, und die blauen Augen stolz und strahlend auf den Mann gerichtet, der ganz in Rot und Gold gekleidet war. Und dann sah ich vor meinem inneren Auge, wie er sie an der Hand nahm und sie zu dem Thron hinter den wundervollen Hochzeitsvorhängen führte, die ihre
Schülerinnen aus der Stickwerkstatt als Geschenk für Sidi Qasem bin Hamed bin Moussa Dib und seine fremde Frau gearbeitet hatten.
Und als mein Blick zu Lalla Mariam zurückkehrte, sah ich, dass sie genau wie ich Tränen in den glitzernden blauen Augen hatte.
DREIUNDDREISSIG
A lison drehte meine Hände nach oben, um die Handflächen besser untersuchen zu können. »Und das?«, fragte sie.
»Eine Rose, glaube ich - irgendeine alte Sorte, eine Wildrose vielleicht, mit flachen Blütenblättern. Aber die Pflanze auf der linken Hand kenne ich nicht.«
Sie folgte mit dem Finger dem Muster der Blätter, die wie eine Kette von Herzen von der Handinnenfläche bis zur Spitze meines Zeigefingers verliefen. »Sehr hübsch. Und den da, hast du ihn auch in Rabat gekauft?« Sie berührte den antiken Ring, den ich am Mittelfinger der linken Hand trug. Idriss hatte ihn mir angesteckt, als wir uns vor dem Flughafen verabschiedeten. »Er gehört Jeddah«, hatte er mir feierlich erklärt. »Sie sagt, es ist eine Leihgabe, und ich soll ihn dir mitgeben, denn er wird dich wieder nach Marokko zurückbringen.« Dann hatte er meine Finger um ihn geschlossen und mich ernst und leidenschaftlich geküsst. Die Sonnenblenden seines Taxis hatten uns vor den neugierigen Blicken der Behörden beschützt. Mir hatten die Knie noch geschlottert, als ich die Passkontrolle erreichte. Seitdem hatten wir jeden Abend miteinander telefoniert, und der Ferienflirt verwandelte sich langsam, aber sicher in eine bezaubernde, altmodische Liebesaffäre. Wir diskutierten über alles Mögliche, angefangen bei französischer Dichtung bis zu den Niederlagen unserer jeweiligen Fußballnationalmannschaften, und mittlerweile hatte ich das Gefühl, mehr über ihn zu wissen, als ich in all den Jahren über Michael gewusst hatte.
»Wie lange wird es halten?«
Ich sah verblüfft auf. »Wie bitte?«
»Das Henna, Dummchen. Wie lange hält es?«
Schon jetzt war es nicht mehr das feurig-dunkle Orange, das mich überrascht hatte, als ich am Morgen meiner Abreise die getrocknete Paste unter der Dusche abgewaschen hatte. Mittlerweile hatte es dieselbe Farbe wie meine Sommersprossen, und ich dachte, dass es genau wie sie zu mir gehörte. Ich wollte gar nicht, dass es verblasste. »Idriss meinte, ungefähr einen Monat.«
»Ist das so etwas wie sein Brandzeichen?«, zog sie mich auf.
»So ein Quatsch! Es ist eine alte Tradition: Frauen tragen Henna als Schutz gegen böse Einflüsse«, sagte ich hitzig, und danach verstummten wir beide.
Vor zwei Wochen war ich aus Marokko zurückgekehrt, und seitdem war die Zeit in einem Wirbel hektischer Betriebsamkeit verflogen. Drei Angebote für meine Wohnung und ein neuer und potenziell lukrativer Auftrag hatten mich erwartet. Die Präzision und Schnelligkeit, mit der das alles zusammentraf, hatten mich ziemlich erstaunt - es war, als schubste mich das Schicksal in eine bestimmte Richtung. Ich hatte eine Menge Zeit mit Anna verbracht. Zusammen hatten wir ihre Freundin in der Veröffentlichungsabteilung des Victoria & Albert Museum besucht, eine elegante, schlagfertige Frau Ende fünfzig, die uns jemanden aus der Abteilung Englische Textilien vorstellte. Ihr unverhohlenes Entzücken beim Anblick von Cats Arbeit zu sehen und mitzuerleben, wie ihnen der Atem stockte, als sie die Skizzen betrachteten, die sie im Stolz der Stickerin angefertigt hatte, war beinahe Entschädigung genug. Natürlich fragten sie, ob sie mein Buch haben könnten, um es zusammen mit dem Altartuch auszustellen. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich noch nicht entschieden hätte, was ich damit machen wollte. Zuerst wirkten sie enttäuscht, doch schon bald diskutierten sie darüber, wie man die besten Faksimiles anfertigen und das Buch vielleicht doch, als zeitlich begrenzte Leihgabe, ausstellen könnte. Während wir uns verabschiedeten, waren wir alle euphorisch gewesen. Anna
erschien mir strahlend schön, was ich ihr auch sagte. »Ach, ich bin einfach nur froh, dass ich das alles für die Familie tun kann, und, na ja, für die Nachwelt. Klingt ziemlich pompös,
Weitere Kostenlose Bücher