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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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aber der wurde vergeben. Als Gott Adam und Hawa vom Himmel als Wächter in das irdische Paradies Jenaa entsandte, verführte Satan sie dazu, von den verbotenen Früchten des Baumes zu kosten, doch im Koran wurden beide zusammen bestraft, und als sie ihre Verfehlung bereuten, hat Gott beiden vergeben und sie als ebenbürtige Geschöpfe in die Welt geschickt, um das Land zu bebauen. Sie haben ihre Sünde nicht an ihre Kinder vererbt: Niemand ist gestorben, um unsere Seele zu retten. Die Vergangenheit ist vorbei. Dinge geschehen, wir leiden, und dann gehen wir weiter ins Licht.«
    Ich putzte mir die Nase. »Das ist eine unglaublich menschliche Sichtweise.«
    »Schuld und Vorwürfe sind negative Kräfte, Julia. Sie zerstören das Leben. Ich glaube fest daran, dass es möglich ist, einen neuen Anfang zu machen und glücklich zu sein. Ich weiß es.«
     
    An diesem Nachmittag ließen wir die Altstadt hinter uns und schlenderten die breiten, sonnigen Straßen von Rabat entlang.
Wir besuchten Buchhandlungen und Cafés und am Schluss auch ein Bekleidungsgeschäft mit vielen leuchtend bunten Kopftüchern und Kaftans.
    »Du musst etwas haben, was du mit zurück nach London nehmen kannst«, sagte Idriss. »Etwas, was dich an Marokko erinnert.«
    Ich berührte eins der Tücher. Es war aus Seide, in unterschiedlichen Blau-, Grün- und Goldtönen, wie das Meer im Sommer. »Sehr hübsch«, sagte ich anerkennend.
    Er hielt es neben mein Gesicht. »Ja, sehr.«
    Es war lächerlich billig, trotzdem feilschte Idriss so lange und wütend mit der armen Frau, der das Geschäft gehörte, bis beide erschöpft wirkten. Schließlich packte sie es ein und reichte es mir. Ich zahlte, bedankte mich und wandte mich zum Gehen.
    Da ergriff Idriss mich am Arm. »Nein, nein, da ist noch etwas.« Dann lächelte er der Frau hinter der Theke zu - und in diesem Augenblick wirkten sie wie zwei hinterlistige Verschwörer.
    »Was denn?«, fragte ich stirnrunzelnd.
    »Imane zeigt es dir.«
    Die Frau führte mich in ein durch einen Perlenvorhang abgetrenntes Hinterzimmer und ließ mich einsam und verloren vor einem großen, von Neonlampen gnadenlos beleuchteten Spiegel stehen. Ich sah ziemlich erledigt aus, wie ein Gespenst, Haut und Haare blass, die Augen in dunklen Höhlen. Es war eine Erleichterung, etwas anderes ansehen zu können, als sie einen Augenblick später mit einem türkisfarbenen Stoffbündel zurückkam.
    Sie breitete es aus. Es war ein Kaftan aus Seide im traditionellen Stil, bodenlang, mit weiten langen Ärmeln. Er ließ sich vom Kragen bis zum Saum knöpfen, mit perfekt gearbeiteten türkischen Knoten und passenden, mit Kettenstich aufgebrachten Schlaufen. Die Blenden zu beiden Seiten waren von Hand mit Mondsicheln und Sternen aus Gold- und Silberfäden
bestickt. Weitere Sterne und Monde verzierten die Ärmelaufschläge und den Saum.
    Mir stockte der Atem. »Es ist wunderschön. Fabuleuse .«
    Imane lächelte und half mir beim Anziehen. Dann standen wir zusammen da und bewunderten die Verwandlung im Spiegel.
    » Ça vouz vraiment convient, mademoiselle. C’est votre couleur . Va montrer votre mari! «
    »Er ist nicht -«, fing ich an. Doch warum ihr unser Verhältnis lang und breit erklären? Ich grinste. »Okay.«
    Idriss stand an der Tür und sah aus, als brauchte er dringend eine Zigarette. Als er den Vorhang klicken hörte, drehte er sich um, und seine Augen weiteten sich.
    Wie sich herausstellte, hatte er bereits dafür bezahlt, deshalb also die Feilscherei.
    »Ich möchte, dass du an Marokko denkst, wenn du es trägst.«
    »Wie könnte ich Marokko je vergessen?«
    Es war eine großzügige Geste, und sie war mir unangenehm. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es gab bereits etwas Unausgesprochenes zwischen uns, einen Hauch von Anspannung, der unseren Nachmittag trübte. Am nächsten Abend würde ich nach London zurückfliegen. In mancher Hinsicht wollte ich nicht weg, aber ich brauchte meine eigene Umgebung, um mir über einiges klar zu werden und ein paar Entscheidungen zu treffen.
    Wir spazierten durch einen sorgfältig angelegten Ziergarten, wo Männer bei einer Schachpartie an kleinen Tischen vor einem Café saßen und Kinder auf dem Pflaster daneben ein kompliziertes Spiel mit Steinen und Flaschenverschlüssen begonnen hatten. Ich sah, wie der Cafébesitzer herauskam und eine Schale auf den Boden stellte, worauf sich drei feingliedrige Katzen aus dem Schatten lösten, wo sie gelegen hatten, und die Schale umringten. Stumm und

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