DIE ZEIT City Guide Lissabon
bisschen konservativ. Assinatura, »Signatur«, heißt sein Restaurant im Viertel Principe Real nördlich des Bairro Alto. Irreführender Name, denkt man beim ersten Blick in den etwas tristen Speiseraum, der nichts so sehr vermissen lässt wie eine eigene Handschrift. Es sei denn, man schaut nach oben. Da hängt ein komplett gedeckter Tisch verkehrt herum von der Decke. Das ist Mouros Devise: Er nimmt das Vertraute und stellt es auf den Kopf.
Auf der Karte steht gerade Bacalhau à Bras, das beliebteste Lissabonner Klippfisch-Rezept. Für die Zutaten braucht man keine Profiküchenausstattung, im Grunde nicht mal einen Kühlschrank: Zwiebeln, Eier, Kartoffeln und
bacalhau,
das ist es schon beinahe. »Dieser Bras«, erzählt Mouro, »war ein Lebemann aus dem Bairro Alto, der gern mal einen trank. Dieses Gericht kochte er daheim für seine Freunde. Der Fisch blieb bei ihm schön salzig, damit es einen Grund mehr gab, zu trinken.«
Ganz so weit treibt Henrique Mouro die Detailtreue nicht. Er pochiert den
bacalhau
über Stunden in warmer Brühe, bis er fast auf dem Gaumen schmilzt. Das Ei wiederum wird als fast rohes Dotter unter den zerkleinerten Fisch gehoben, damit das Gericht noch cremiger wird. Darüber kommen die Kartoffeln als knusprig frittierte Späne. Der meist nur dekorativen Petersilie kommt im umgekrempelten Bacalhau à Bras eine tragende Rolle zu: In Gestalt einer tiefgrünen Sauce bildet sie das Fundament. »Ich spiele mit Formen und Texturen«, erklärt Mouro, »aber die Zutaten bleiben exakt dieselben wie beim Original.« Das Ergebnis ist eine knusprig-saftig-samtige Geschmacksexplosion, die man so rasch nicht vergisst.
Vor zehn Jahren hätten nicht viele Lissabonner im Gourmetrestaurant ein derart gewöhnlich klingendes Essen bestellt. »Damals wollten die Leute Steaks, immer größere Steaks. Sie schämten sich für die billigen Sardinen und Bohnen, mit denen sie aufgewachsen waren.« Mouro lacht. »Wer weiß? Vielleicht sind ja die Steaks daran schuld, dass Portugal pleite ist.«
Nur ein paar Meter vom Assinatura entfernt wird wieder einmal gegen Sparpläne der Regierung demonstriert. Henrique Mouro geht das auf die Nerven. Er hat sich 2010 selbstständig gemacht, mitten in der Wirtschaftskrise. Eine gute Zeit, meint er, um sich darauf zu besinnen, was die portugiesische Küche ausmacht: Bescheidenheit und Fantasie. Wenn Mouro nicht gerade Hausmannskost dekonstruiert, denkt er sich wilde Sachen aus: Austern mit Birne, Blumenkohl und Mandeln. Ente mit Sojasauce, Artischocke und zerbröseltem Hummer... Speisen, über die man streiten kann – »ich bin ein Koch mit Eiern«.
Nicht der einzige übrigens. Einige junge Lissabonner haben in letzter Zeit Gourmetlokale eröffnet, und sie bringen allerlei Verrücktheiten auf den Tisch, vom Blutwurst-Streuselkuchen bis zur Himbeere mit grünem Meerrettich. Fusion-Küche, die sich weit hinauswagt, ohne die Heimat aus dem Blick zu verlieren. »Portugal war schon früh eine Nation der Entdecker und Händler«, sagt Henrique Mouro. »Wir haben mit so vielen Ländern Geschmäcker getauscht. Diese Offenheit ist unser Reichtum.« Ein Grund mehr für die Landsleute Vasco da Gamas, ihren
bacalhau
zu lieben. Er ist auf seine Art ja auch ein Handlungsreisender in Gewürzen.
Die Hoteltipps der Redaktion
Unser Hoteltester Tomas Niederberghaus hat in Lissabon nach Hotels mit Charme und Charakter gesucht. Diese vier kann er empfehlen.
VON TOMAS NIEDERBERGHAUS
Casa das Janelas com Vista. Diese Casa ist kein Hotel, sondern ein kleines Paradies in einer ruhigen Gasse der Altstadt. Zwölf Zimmer. Jedes hell und zauberhaft. Mal dekoriert mit einem antiken Holzsessel, mal mit einer handbemalten Garderobe. Herzstück ist die Wohnküche, ein loftartiger Raum, in dem Handwerker früher Körbe flochten und die Gäste nun frühstücken. Hier hängt die Ingo-Maurer-Leuchte über einem alten Holztisch. Vom Umbau ist ein Gerüst übrig geblieben, das als Regal dient.
Rua Nova do Loureiro, 35, Tel. 00351-21/3429110,
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York House. Eine rosafarbene Mauer. Dahinter eine uralte Steintreppe, die zum Innenhof führt, wo Palmen wachsen und Efeu die Wände berankt. Weiß gedeckte Tische, Mittagessen im Schatten. Und heilige Stille, wie damals, vor über 200 Jahren, als dieses schmucke Anwesen noch ein Karmeliter-Kloster war. Innen verschachtelte Flure mit glänzenden Holzböden und schweren Truhen. Zimmer in warmen Tönen – Grün, Creme
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