Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)
Kar kratzte unruhig am Schaft ihres Speeres. Sie schien sich für einen überraschenden Angriff bereit zu halten. Maramir konnte plötzlich den Blick des Spitzgesichtes in ihrem Rücken spüren und drehte sich um. Ihre Angst und ihre Feigheit waren ihm sicher nicht entgangen. Durchdringend sah er sie auf geheimnisvolle Weise an, und spähte immer wieder aufmerksam in die dunkle Nacht. Beschämt wand sie ihren Blick von ihm ab. Die Furcht vor den Hyänen saß ihr tief im Nacken und wollte nicht vergehen.
Aus der Ferne ertönte jetzt das Geheul der Wölfe. Sie wünschte sich, daß ihre Ahnen sie beschützten. Kar wirkte daraufhin jedoch zunehmend unruhiger. Sie verbreitete durch ihre gesteigerte Aufmerksamkeit eine unheimliche Stimmung. - Fürchtete sie etwa die Anwesenheit der Ahnen? - Erneut überkam Maramir Unbehagen. Der Ruf der Wölfe verstummte. Die Vorahnung auf eine sich anbahnende Gefahr ließ Maramir erstarren. Nur die steten Geräusche der Nacht waren noch zu hören: das krächzende Schnattern einiger aufgebrachter Krähen, der Ruf des Kauzes und das Knistern des Feuers. Maramir sah, wie das Spitzgesicht den gebrochenen Speerschaft von seinem Bein löste und seine Keule ergriff. Mit hoch aufgerecktem Haupt ließ er seinen Blick durch die Nacht schweifen.
Nach einer Weile aber mischte sich in Maramirs Anspannung eine übermächtige Müdigkeit. Immer wieder neigten sich ihre Lider. Jedesmal riß sie ihre Augen wieder auf und kämpfte gegen den Schlaf, der sie überwältigen wollte.
Mit einem Mal war sie hellwach, ihr fiel auf, daß die Rufe des Kauzes verstummt waren. Das Feuer flackerte beinahe bedrohlich und knackte laut. Leinocka entzündete eine Fackel. Als Maramir sich umsah, erkannte sie die Schatten der Ahnen. Sie konnte sehen, daß die Silhouetten ihrer Gruppenformation sich mit einem Mal in unterschiedlichen Richtungen verteilten. Jegliche Empfindung und jeder Gedanke in ihrem Kopf schien schlagartig zu gefrieren. Die Ahnen kamen, um zu töten ... Sofort warf sie ihren Kopf herum in der Absicht, nach ihrer Schwester zu sehen. Kar stand bereits, gewillt sich mit einer brennenden Fackel und dem Speer zu verteidigen. Ein Schatten, gefährlich nah; ein dunkler Umriss, direkt hinter ihr! Sie wollte Kar warnen, doch der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Ein plötzlich in den Feuerschein eintauchender Wolf mit gefletschten Zähnen und blutgierigen Augen setzte zum Sprung an. Knurrend stieß er seine Zähne in Kars Schulter und riß sie zu Boden. Panisch schlug Kar mit der brennenden Fackel zu und versuchte, sich zu wehren, als aus dem Dunkel ein weiterer Wolf hervorschoß und nach ihren Beinen schnappte. Kars Schmerzensschrei jagte quälend durch Maramirs Kopf, als die scharfen Zähne des Tieres Kars Wade aufrissen. Blitzartig und ebenso raubtierhaft stürzte sich das Spitzgesicht auf jenen Wolf, der sich erneut in Kars Schulter verbissen hatte, packte ihn am Schwanz, riß ihn von ihr weg und streckte das Tier mit kraftvollen Keulenschlägen nieder. Rasch wandte sich Maramir ab, ergriff ihren Speer und richtete diesen kreischend gegen die beiden Tiere, die auf sie zugejagt kamen. Leinocka stocherte mit Fackeln nach ihnen, während Maramir wie von Sinnen immer wieder mit ihrem Speer zustieß und nach ihnen schlug. Aber sie wußte: Ihre Gegner waren zu stark, zu entschlossen in ihrer Blutgier, als daß sie ablassen würden, ohne einen von ihnen getötet zu haben. Mit aller Härte fuhr nun das Spitzgesicht mit seiner Keule dazwischen. Nach allen Seiten hin schwang er wütend die tödliche Waffe unter wildem Kampfgebrüll und drängte so die Angreifer zurück. Dabei riß er Kar am Kragen ihres Fellgewandes mit sich und zog sie hinter sich her, wie ein erbeutetes Tier, das er gegen die hungrige Meute verteidigte. Sie war voller Blut. Ihr Gesicht war gezeichnet von Schmerz und Entsetzen, während sie unter dem Schutz des Spitzgesichtes herumgewirbelt wurde. Ein Wolf, den das Spitzgesicht hart mit der Keule traf, jaulte gellend auf. Die anderen wichen zurück. Daraufhin entriss er Maramir den Speer, setzte rasch nach und stieß ihn in die Flanke des angeschlagenen Tieres. Dann packte er den Wolf am Schwanz, zog ihn mit aller Gewalt zu sich, fasste mit beiden Händen flink nach seiner Kehle, drückte ihn zu Boden, griff mit den Fingern in seine Nase und brach ihm mit einem gewaltigen Ruck das Genick. Mit glühenden Holzscheiten warf Maramir nach den anderen, um sie endgültig zu vertreiben. - Der Kampf war
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