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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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sich nun ständig umsah. Die Angst der letzten Nacht holte sie wieder ein.
    Plötzlich ein huschender Schatten. Maramir fuhr herum. Sie hatte lediglich einen Hasen aufgeschreckt, der durch sein weißes Winterfell getarnt am Boden gekauert hatte. Sie sah dem flinken Tier nach und beneidete das Langohr um seine Schnelligkeit. Doch anstatt eines Hasen wünschte sie sich, ein Bär oder ein Löwe zu sein, dann müßte sie sich vor niemandem mehr fürchten. Oder ein Vogel, ja, ein Vogel, der einfach davonfliegen könnte. Doch die weiße, trostlose Schneelandschaft zeigte ihr die Wirklichkeit. Die Ahnen hatten sie verlassen, die Welt war für Maramir fremd und bedrohlich geworden, wie für einen Vogel mit gebrochenem Flügel. Niedergeschlagen klopfte sie mit dem Speer den Schnee von einigen Büschen; manche Sträucher trugen selbst um diese Jahreszeit noch vergorene Beeren.
    Da vernahm sie ein Geräusch. Sofort duckte sie sich in den Schnee. Im lichten Baumbestand versuchte sie etwas zu erkennen und erblickte drei Gestalten, die einen Lastenschlitten hinter sich herzogen. Spitzgesichter! Sie kamen in ihre Richtung. Ohne nachzudenken hastete sie los, stolperte durch den Schnee. Und während sie floh, drängte sich ihr unentwegt ein einziger furchtbarer Gedanke auf - „Der Schnee! - Der verräterische Schnee!“
    Völlig außer Atem erreichte sie das Lager. Das Spitzgesicht hatte sie längst bemerkt und sich erhoben. Fragend sah er ihr entgegen. Maramir hielt ihm schließlich drei Finger vor das Gesicht und deutete mehrmals auf ihn, dann in die Richtung, aus der sie gekommen war. Und dann stockte ihr der Atem: Die Spitzgesichter. Zielstrebig stapften sie näher. Zwei furchteinflößende, gedrungene, bärtige Männer mit dunklen langen Haaren und ein Schmächtiger mit kahlem Gesicht und hellerem schulterlangem Haar. In ihren Händen hielten sie lange Lanzen. Die ganze Art der Fremden, der kraftvolle, entschlossene Gang, die furchtlose Haltung, vor allem der kalte, grimmige Ausdruck ihrer Gesichter flößte Maramir Angst ein. Die Erinnerung an fremde Männer, die kamen, um zu töten, flammte sofort wieder auf. Hinkend ging das Spitzgesicht los, auf die anderen zu. Einen Augenblick lang wollte sie ihn davon abhalten, ihn warnen; aber Maramir zögerte. Sie bemerkte im Auftreten der drei Fremden etwas Sonderbares. Zudem hatte sie gesehen, auf welche Art das Spitzgesicht einer Gefahr entgegentrat; aber jetzt versuchte er seine Verwundung nicht im geringsten zu verbergen. Wieso zeigte er soviel Schwäche?
    Die bedrohliche Haltung der Fremden verblaßte, während sich das Spitzgesicht ihnen näherte. Bis zu einer Armlänge gingen sie aufeinander zu. Mit Armen und Händen, mehr als mit Worten, schienen sie, sich zu verständigen. - Dann sahen die Fremden zu den Mädchen herüber. Ihre Unterhaltung drehte sich dem Anschein nach nun um sie. Die Stimmen wurden lauter, die Körpersprache erregter. - Überraschenderweise kam das Spitzgesicht in Begleitung der anderen zurück. Unmissverständlich forderte er Maramir und Leinocka auf, sich zu setzen. Verunsichert taten die Mädchen, was er von ihnen verlangte, während er den anderen etwas zu schildern begann. Er zog dabei an dem Steinamulett, das er um den Hals trug. Sein Tonfall wurde lauter, so, als bahne sich eine Auseinandersetzung zwischen ihnen an. Seine Wut, die geballte Faust und seine Keule sprachen die Sprache des Kämpfers. Doch schon bald zeigte sich, daß er den Kampf wiedergab, bei dem sein Gefährte getötet wurde. Er deutete auf die Säcke, die am Baum hingen. Nach einem Wink ging der junge Schmächtige, um sie zu holen. Das Spitzgesicht griff in einen der Säcke und zog den Kopf seines toten Gefährten heraus. Den drei Fremden entfuhr ein wütender Klagelaut. Als aber das Spitzgesicht ihnen die Kopfhäute der getöteten Feinde entgegenhielt, folgten Ausrufe des Staunens und der Hochachtung. Nun schien er zu berichten, wie die Mädchen ebenfalls einen der Feinde getötet hatten, woraufhin die fremden Spitzgesichter sie neugierig musterten. Dann, auf ein Zeichen, setzten sich die anderen mit ihm ans Feuer und begannen ein Gespräch. - Diese Männer waren für ihn keine Fremden. Je länger Maramir die Unterhaltung beobachtete, desto deutlicher wurde, daß sie sich untereinander gut kannten. - Nun betrachtete Maramir die beiden Älteren eingehender. Das vernarbte Gesicht des Einen und die platte Nase des Anderen fielen sofort auf. Der verhärmte Ausdruck der beiden ließ

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