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Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Titel: Die Zeit der Hundert Königreiche - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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jetzt konnte es gleich wieder soweit sein. Deshalb mühte er sich auf die Füße und nahm sich mit aller Kraft zusammen.
»Oh, mein Lieber«, sagte Melora leise, »wie konnte es je dahin kommen? Ich mache mir Vorwürfe, Bard - ich hätte sehen müssen, wie sehr du Liebe und Ermutigung brauchtest, ich hätte einen Weg finden sollen, zu dir zu kommen. Aber ich war so stolz auf mich, daß ich mich an die Vorschriften hielt, als sei es nicht selbstverständlich, daß man sie menschlicher Not wegen beiseite schieben muß. Und mit meinem Stolz habe ich all das in Gang gebracht! Wir alle leben mit den Fehlern, die wir gemacht haben - das ist das Schreckliche daran. Wir blicken zurück und erkennen den Augenblick, von dem an alles schieflief, und ich glaube, mehr an Strafe brauchen wir nicht: Zu leben mit dem, was wir tun, und zu wissen, wie wir es taten. Ich hätte einen Weg finden sollen.«
In ihm stieg plötzlich die Erinnerung an Mirella auf, an jene Nacht im Lager, als Melora ihn weggeschickt und darauf hingewiesen hatte, was schickliches Benehmen war. Mirella hatte aus der Zeltöffnung geflüstert: »Sie hat sich in den Schlaf geweint . . ,
Melora hatte ihn ebensosehr gewollt wie er sie. Wenn er wenigstens das gewußt hätte! Wenn er sich dessen sicher gewesen wäre, vielleicht wäre er dann sanfter mit Beltran umgegangen … Aber wie konnte Melora sich die Schuld an seinen Sünden und Fehlern geben? Sie tat es, und er konnte sie nicht mehr davon abbringen, und so hatte er ihr schrecklicherweise ebenfalls Unrecht zugefügt.
»Kann man es nicht wiedergutmachen? Kann man nicht etwas davon wiedergutmachen? Ich kann so nicht leben, mit dieser … dieser Bürde des Wissens, ich kann nicht … «
Sie berührte zart sein Gesicht und sagte mit unendlicher Sanftheit: »Aber du mußt, mein Lieber, wie ich es muß, wie Carlina es muß, wie wir alle es müssen. Der einzige Unterschied ist, daß einige von uns nie verstehen lernen, warum wir leiden. Sag mir, Bard, wäre es dir lieber, das alles wäre nicht geschehen? Wünschst du dir das wirklich?« »Ob ich wünsche, ich hätte all diese Untaten nicht begangen? Bist du verrückt? Natürlich … das ist ja das Höllische daran, daß ich nichts davon ungeschehen machen kann … «
»Nein, Bard, ich meine, ob du wünschst, Carlina hätte dir dies nie gezeigt und du wärst immer noch der gleiche Mann, der du vor ein paar Tagen warst.«
Er wollte schon aufschreien: Ja, ja, ich kann dies Wissen nicht ertragen, ich möchte zurückkehren zu meiner Unwissenheit! Carlina hatte ihm diese Bürde durch Laran auferlegt; vielleicht war ein Weg zu finden, dies ungeheuerliche Wissen durch Laran wieder aus seinem Gehirn zu löschen. Und dann ließ er den Kopf sinken und erkannte mit einer neuen Art von Schmerz, daß es nicht wahr war. Wenn er wieder unwissend wurde, bestand die Gefahr, daß er wiederholte, was er getan hatte, daß er von neuem zu einem Mann wurde, der derlei Grausamkeiten begehen konnte, der gewissenlos einen Bruder verwunden, einen Pflegebruder fürs Leben lähmen, Frauen vergewaltigen und Menschen, die ihn gern hatten, quälen konnte … Er sagte, immer noch mit gesenktem Kopf: »Nein.« Denn selbst wenn er nichts über den Schmerz Carlinas wüßte, wäre Melisandras Leiden und die Schönheit ihres Verzeihens immer noch vorhanden, aber er würde nichts davon wahrnehmen. Er war jetzt nicht mehr fähig, sich vorzustellen, wie es war, nicht zu wissen. Er würde wie ein Blinder in einem Garten voller Blumen sein und Schönheit achtlos niedertrampeln.
»Ich möchte mein Wissen lieber behalten. Es tut weh, aber… oh, ich Möchte es lieber behalten.«
Gut flüsterte Melora. Das ist der erste Schritt zu wissen und sich vor dem Wissen nicht zu verschließen.«
»Ich möchte … ich möchte irgendwie … versuchen, es wiedergutzumachen, soweit ich kann …«
Sie nickte. »Das wirst du. Du kannst gar nicht anders. Aber es gibt vieles, was du nicht wiedergutmachen kannst, und selbst wenn es dich foltert, mußt du lernen, irgendwie weiterzuleben und deine Last zu tragen, das Wissen, daß du nicht ungeschehen machen kannst, was du getan hast.« Sie sah ihn scharf an. »Zum Beispiel, hättest du Carlina damit allein lassen sollen?«
Er antwortete, immer noch nicht fähig, sie anzusehen: »Ich ,glaubte, ich sei der letzte Mensch, den sie zu sehen wünschte.«
»Sei dessen nicht allzu sicher. Schließlich habt ihr etwas miteinander geteilt, und eines Tages wirst du ihr wieder gegenübertreten

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