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Die Zeit der Katzenpfoten

Die Zeit der Katzenpfoten

Titel: Die Zeit der Katzenpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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sei nun Eigentümerin dieses laufend steigenden Wertes. Aber eine ihrer Ermordungen hätte einige Zell-veränderungen in ihrem Gehirn hervorgerufen, und nun erwache sie jedesmal mit der Überzeugung, daß ihr stalinistische Agenten vor dem Haus auflauerten. Sie fürchtete sie nicht direkt. Sie hatte gegen die Vorstellung, getötet zu werden, etwa genausoviel einzuwenden wie Forrester in früheren Tagen gegen einen Gang zum Zahnarzt: man war nicht direkt besorgt, aber man war ziemlich sicher, daß es unangenehm sein würde. Als jemanden, der sechs Jahrhunderte erlebt hatte, fand Forrester sie faszinierend – und sie war außerdem auch noch schön. Aber sie war bald so betrunken, daß ihre Erinnerungen keinen Sinn mehr ergaben.
    Er stand auf, um sich noch einen Drink zu holen, und spürte, daß er leicht schwankte. Nur leicht, da war er sicher, aber als er den Drink hatte, schüttete er ihn irgendwie über einen schlanken, alten, fast kahlköpfigen Mann, der aber nur grinste und nickte und sagte: »Tenga dura, signore! E precioso!«
    »Du hast recht«, sagte Forrester und setzte sich neben ihn. Whitlow hatte ihm den Mann schon beim Hereinkommen als eine Kuriosität gezeigt; er war tatsächlich noch vor Forrester geboren worden. Er war hundertundsieben Jahre alt gewesen, als er 1988 an einer Embolie gestorben war. Die Embolie hätte sofort repariert werden können, aber nicht die Zerstörungen des Alters. Damals nicht. Nach sechs Jahrhunderten eines traumlosen Schlafes in flüssigem Helium war sein ursprüngliches Vermögen soweit angewachsen, daß sich die Verwalter der Tiefkühlanlagen entschlossen hatten, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Aber das Geld hatte gerade noch ausgereicht, ihn wieder betriebsfähig zu machen. An seinem Aussehen war nicht viel geändert worden; trotzdem war alles aufgebraucht, was er besessen hatte. »Ich wette, du hast ein interessantes Leben geführt«, sagte Forrester ehrfürchtig zu ihm und trank den restlichen Inhalt seines Glases aus.
    Der Mann nickte ernst und sagte: »Signore, durante la vita mia prima della morte, era un uomo grande! Nel tempo del Duce – ah! Un maggiore del esercitio, io, e dappertutto non mi dispiacciono le donnel«
    Whitlow klopfte dem alten Mann auf die Schulter und führte Forrester davon. »Großhirnschaden«, flüsterte er.
    »Aber er sprach doch Italienisch.«
    »Sicher, Chuck. Er kann nich richtig lernen; deshalb isser hier bei uns. Weißte, es gibt nich viele Jobs für ‘nen Burschen, der nich sprechen kann wie wir alle.«
    Der Marsianer schwankte an ihnen vorbei und blickte sie über die Schulter an. Forrester konnte nicht sagen, ob er zugehört hatte oder nicht, aber jetzt deklamierte er gerade: »Lebe wie alle. Lebe wie alle. Lebe für den Staat, sage ich, denn der Staat weiß das Beste für dich.«
    Langsam kommt Leben in die Gesellschaft, dachte Forrester, und er war aufgeregt und glücklich. Ein kleiner Mann in einer grünen Halskrause – es schien eine Nachahmung der sirianischen Farbe zu sein – schrie: »Und was ist das Beste? Adolf Berle fragte schon vor einem halben Jahrtausend: ›Was will eine Aktiengesellschaft‹. Und der Staat ist eine Aktiengesellschaft geworden.«
    Die Ballettänzerin bekam einen Schluckauf, öffnete ihre glasigen Augen und blickte wütend drein. »Stalinist!« zischte sie; dann schlief sie wieder ein. Forrester grub in seinen Taschen nach Hundertdollarnoten und steckte sie in die Jokerschlitze, um mehr Drinks für alle zu bestellen.
    Forrester war sich völlig klar darüber, daß er schnell seine letzten tausend Dollar erschöpfte. In gewisser Weise gefiel ihm das sogar. Er war betrunken und in einem solchen Zustand der Euphorie, daß er die Probleme von morgen dem Morgen überlassen wollte. So schlecht der nächste Tag auch beginnen mochte, er konnte nicht schlimmer sein als der vergangene. Er sah sogar Vorteile darin, ein Verlorener zu sein: Man konnte sein Geld bis zum letzten Dollar ausgeben, aber trotzdem keinen Bankrott machen; man konnte nie in Schulden geraten, da man von Anfang an keinen Kredit hatte. Weiser Tars Tarkas!
    Ausgezeichnet von den Kindern, ihm einen so guten Rat gegeben zu haben. »Eßt!« schrie er und achtete nicht auf Whitlows warnendes Flüstern. »Trinkt! Seid fröhlich! Morgen sterben wir wieder.«
    »Domani morirel«. kreischte der alte Italiener und warf das Glas mit Gott weiß wie teurem Grappa um, das Forrester für ihn besorgt hatte, und Forrester erwiderte den Trinkspruch.
    »Hör

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