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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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schlechter reiten als mit, doch sie wusste, dass sie in dieser Haltung keinen langen Galopp durchstehen würde.
    Zum Glück verringerte Giselher nach ein paar Minuten das Tempo und hielt die Spitzengruppe zurück, damit sie und Kayleigh aufschließen konnten. Ciri ging zum Trab über. Den Steigbügelriemen kürzer schnallen konnte sie noch immer nicht, im Riemen fehlten Löcher. Ohne das Tempo zu verlangsamen, legte sie das rechte Bein über den Sattel und ritt im Damensitz weiter.
    Als Mistle die Reithaltung des Mädchens sah, brach sie in Gelächter aus. »Siehst du, Giselher? Nicht nur eine Akrobatin, sondern auch noch eine Kunstreiterin! He, Kayleigh, wo hast du diese Teuflin aufgetrieben?«
    Flamme hielt ihre schöne Fuchsstute zurück, die noch immer trocken war und weitergaloppieren wollte, ritt näher heran, drängte gegen Ciris Grauschimmel. Das Pferd schnaubte, warf den Kopf hoch und wich zurück. Ciri zog die Zügel an, lehnte sich im Sattel zurück.
    »Weißt du, warum du noch am Leben bist, du Vollidiotin?«, knurrte die Elfe, während sie sich die Haare aus der Stirn strich. »Der Kerl, den du großmütig verschont hast, hat die Sehne zu früh losgelassen, hat das Pferd getroffen statt deiner. Sonst hättest du jetzt einen Bolzen tief im Rücken stecken! Wozu trägst du das Schwert?«
    »Lass sie in Ruhe, Flamme«, sagte Mistle und rieb den schweißnassen Hals ihres Pferdes. »Giselher, wir müssen langsamer werden, sonst reiten wir die Pferde zuschanden! Uns verfolgt doch niemand.«
    »Ich möchte möglichst schnell die Velde überqueren«, sagte Giselher. »Auf der anderen Seite machen wir Rast. Kayleigh, wie macht sich dein Pferd?«
    »Es wird durchhalten. Das ist kein Rennpferd, aber ein kräftiges Vieh.«
    »Na, dann los.«
    »Gleich«, sagte Flamme. »Und diese Rotznase?«
    Giselher schaute sich um, rückte das scharlachrote Stirnband zurecht, ließ den Blick auf Ciri ruhen. Sein Gesicht, sein Ausdruck erinnerten ein wenig an Kayleigh – dieselbe böse Grimasse des Mundes, die gleichen zusammengekniffenen Augen, die schmalen, vorstehenden Kinnladen. Er war jedoch älter als die hellhaarige Ratte – der bläuliche Schatten auf den Wangen zeugte davon, dass er sich schon regelmäßig rasierte.
    »Ja wirklich«, sagte er schroff. »Was ist mit dir, Wildfang?«
    Ciri senkte den Kopf.
    »Sie hat mir geholfen«, ließ sich Kayleigh vernehmen. »Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte dieser lausige Greifer mich an den Pfosten genagelt  ...«
    »Im Dorf«, fügte Mistle hinzu, »haben sie gesehen, dass sie mit uns zusammen geflohen ist. Einen hat sie zusammengehauen, ich glaube kaum, dass er überlebt hat. Das sind Siedler aus Nilfgaard. Wenn das Mädchen ihnen in die Hände fällt, machen sie sie kalt. Wir können sie nicht zurücklassen.«
    Flamme fauchte wütend, doch Giselher winkte ab. »Zur Velde«, entschied er, »soll sie mit uns reiten. Dann werden wir sehen. Setz dich aufs Pferd, wie es sich gehört, Mädel. Wenn du zurückbleibst, werden wir uns nicht umschauen. Verstehst du?«
    Ciri nickte eilig.
     
    »Rede, Mädchen. Was bist du für eine? Wo kommst du her? Wie heißt du? Warum bist du unter Bewachung geritten?«
    Ciri senkte den Kopf. Während des Rittes hatte sie genug Zeit für den Versuch gehabt, sich irgendeine Geschichte auszudenken. Sie hatte sich mehrere ausgedacht. Aber der Anführer der Ratten sah nicht wie jemand aus, der eine davon glauben würde.
    »Na«, drängte Giselher. »Du bist ein paar Stunden lang mit uns geritten. Du futterst mit uns, und ich hatte noch keine Gelegenheit, den Klang deiner Stimme zu hören. Bist du stumm?«
    Das Lagerfeuer ließ Flammenzungen und einen Funkenregen emporschießen, tauchte die Ruine der Hirtenhütte in eine Woge von goldenem Licht. Als gehorche es einem Befehl Giselhers, erhellte das Feuer das Gesicht der Verhörten, damit man umso deutlicher Lüge und Verstellung darin erkennen könne. Ich kann ihnen ja nicht die Wahrheit sagen, dachte Ciri verzweifelt. Das sind Mörder. Briganten. Wenn sie erfahren, dass die Greifer mich wegen der Belohnung gefasst haben, könnten sie selber Lust bekommen, diese Belohnung zu kassieren. Außerdem ist die Wahrheit zu unwahrscheinlich, als dass sie mir glauben würden.
    »Wir haben dich aus der Siedlung gebracht«, fuhr der Anführer der Bande langsam fort. »Wir haben uns hier versammelt, in einem unserer Schlupfwinkel. Du hast zu essen bekommen. Du sitzt an unserem Feuer. Also sag, wer du

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