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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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eine nietenbesetzte Jacke und ein scharlachrotes Stirnband. Mit zwei raschen Schwertstreichen schickte er zwei Greifer in die gegenüberliegenden Ecken, focht mit Vercta. Der andere, breitschultrig und mit hellem Haar, erledigte mit einem weit ausholenden Hieb Remiss, den Schwager Flenners. Die übrigen wandten sich zur Flucht, hin zur Küchentür. Doch die Ratten waren auch dort schon eingedrungen – aus dem Hintergrund sprang plötzlich ein dunkelhaariges Mädchen in märchenhaft bunter Kleidung hervor. Mit einem raschen Stich durchbohrte sie einen von den Greifern, warf mit einem kreisenden Schlag den anderen zurück und machte sofort den Schankwirt nieder, ehe der rufen konnte, wer er war.
    Geschrei und Schwerterklirren erfüllten die Stube. Ciri verbarg sich hinter dem Pfosten.
    »Mistle!« Kayleigh, der die Fesseln abgeworfen hatte, mühte sich mit dem Riemen, der ihm noch immer den Hals an den Pfosten band. »Giselher! Reef! Zu mir!«
    Die Ratten waren jedoch noch mit dem Kampf beschäftigt – Kayleighs Schrei hörte nur Flenner. Der Greifer wandte sich um und holte zum Stoß aus, um die Ratte am Pfosten festzunageln. Ciri reagierte blitzschnell und reflexartig – ähnlich wie während des Kampfes mit dem Wyvern in Gors Velen, ähnlich wie auf Thanedd, liefen alle in Kaer Morhen gelernten Bewegungen auf einmal von selbst ab, fast ohne ihr Zutun. Sie sprang hinter dem Pfosten hervor, wirbelte in einer Pirouette herum, warf sich auf Flenner und stieß ihn heftig mit der Hüfte. Sie war zu klein und zu leicht, um den großen Greifer wegzuschleudern, doch es gelang ihr, den Rhythmus seiner Bewegungen zu stören. Und seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    »Du Stück Dreck!«
    Flenner holte aus, das Schwert pfiff durch die Luft. Ciris Körper führte wieder von selbst die rettende Volte aus, und Flenner hätte sich um ein Haar überschlagen, als er der Klinge mit Schwung hinterherstürzte. Gemein fluchend, schlug er abermals zu, legte seine ganze Kraft in den Hieb. Ciri sprang geschickt beiseite, landete sicher auf dem linken Fuß, wirbelte in einer entgegengesetzten Pirouette herum. Flenner hieb wiederum zu, konnte sie aber auch diesmal nicht erreichen.
    Zwischen sie stürzte plötzlich Vercta und bespritzte beide mit Blut. Der Greifer wich zurück, schaute sich um. Ihn umgaben ausschließlich Leichen. Und die Ratten, die sich von allen Seiten mit gezückten Schwertern näherten.
    »Halt«, sagte kalt der Schwarzhaarige mit dem scharlachroten Stirnband, der endlich Kayleigh losmachte. »Es sieht so aus, dass er unbedingt dieses Mädchen abstechen will. Ich weiß nicht, warum. Ich weiß auch nicht, wieso es ihm bisher nicht gelungen ist. Aber geben wir ihm eine Chance, wenn er es so dringlich will.«
    »Geben wir ihr auch eine Chance, Giselher«, sagte der Breitschultrige. »Es soll ein ehrlicher Kampf sein. Gib ihr irgendeinen Stahl, Flamme.«
    Ciri fühlte den Griff eines Schwertes in der Hand. Es war etwas zu schwer.
    Flenner keuchte wütend, stürzte sich auf sie, ließ das Schwert in einer Mühle kreisen, dass es nur noch als Schemen zu sehen war. Er war langsam – Ciri wich den Hieben mit schnellen Finten und Halbdrehungen aus, ohne auch nur zu versuchen, die auf sie niederprasselnden Hiebe zu parieren. Das Schwert diente ihr nur als Gegengewicht, das die Volten erleichterte.
    »Unglaublich«, lachte die mit den kurzen Haaren. »Das ist eine Akrobatin!«
    »Schnell ist sie«, sagte die Bunte, die ihr das Schwert gegeben hatte. »Schnell wie eine Elfe. He du, Dicker! Wäre dir nicht vielleicht jemand von uns lieber? Bei der schaffst du es nicht!«
    Flenner wich zurück, schaute sich um, plötzlich sprang er unerwartet vor, zielte mit einem Stich auf Ciri und streckte sich dabei wie ein Reiher mit vorgerecktem Schnabel. Ciri wich dem Stoß mit einer kurzen Finte aus, wirbelte herum. Eine Sekunde lang sah sie eine geschwollene, pulsierende Ader an Flenners Hals. Sie wusste, dass er in der Position, in der er sich befand, einem Hieb weder ausweichen noch ihn parieren konnte. Sie wusste, wo und wie sie zuschlagen musste.
    Sie schlug nicht zu.
    »Schluss.« Sie fühlte eine Hand auf der Schulter. Das Mädchen in der bunten Kleidung stieß sie weg, gleichzeitig drängten zwei andere Ratten – der mit dem Halbpelz und die Kurzgeschorene  – Flenner in eine Ecke der Stube, hielten ihn mit den Schwertern in Schach.
    »Schluss mit diesem Vergnügen«, wiederholte die Bunte und drehte Ciri zu sich herum.

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