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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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»Das dauert ein bisschen zu lange. Und zwar deinetwegen, Fräulein. Du kannst töten, tust’s aber nicht. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass du nicht lange leben wirst.«
    Ciri zuckte zusammen, als sie in die großen dunklen, mandelförmigen Augen blickte, die in einem Lächeln entblößten Zähne sah, die so klein waren, dass das Lächeln etwas Vampirhaftes an sich hatte. Das waren keine Menschenaugen und keine Menschenzähne. Das bunte Mädchen war eine Elfe.
    »Zeit, zu verduften«, sagte Giselher, der mit dem roten Stirnband, offensichtlich der Anführer, in scharfem Ton. »Das dauert wirklich zu lange! Mistle, erledige den Dreckskerl.«
    Die Kurzgeschorene näherte sich mit erhobenem Schwert.
    »Erbarm’!«, schrie Flenner und fiel auf die Knie. »Schenkt mir das Lebm! Ich hab kleine Kinder  ... noch ganz kleine  ...«
    Das Mädchen hieb scharf zu und drehte sich dabei in den Hüften. Das Blut spritzte als breiter, unregelmäßiger Fleck aus kleinen karminroten Pünktchen an die geweißte Wand.
    »Ich kann kleine Kinder nicht leiden«, sagte die Kurzgeschorene und wischte mit einer raschen Handbewegung das Blut von der Klinge.
    »Bleib nicht stehen, Mistle«, drängte der mit dem scharlachroten Stirnband. »Zu den Pferden! Wir müssen verschwinden! Das ist eine Nilfgaarder Siedlung, hier haben wir keine Freunde!«
    Die Ratten liefen blitzschnell aus der Schenke. Ciri wusste nicht, was sie tun sollte, fand aber auch keine Zeit zum Überlegen. Mistle, die Kurzhaarige, gab ihr einen Stoß zur Tür hin.
    Vor der Schenke lagen inmitten von Tonscherben und abgenagten Knochen die Leichen der Nissire, die den Eingang bewacht hatten. Vom Dorf her kamen mit Spießen bewaffnete Siedler gerannt, verschwanden jedoch beim Anblick der auf den Hof tretenden Ratten augenblicklich zwischen den Hütten.
    »Kannst du reiten?«, schrie Mistle Ciri zu.
    »Ja  ...«
    »Dann los, schnapp dir irgendein Pferd, und Galopp! Auf unsere Köpfe ist eine Belohnung ausgesetzt, und das ist ein Nilfgaarder Dorf! Alle greifen sie schon nach Bögen und Schleudern! Galopp, Giselher nach! Mitten auf der Straße! Halte dich von den Hütten fern!«
    Ciri setzte über die niedrige Umzäunung, packte die Zügel eines von den Pferden der Greifer, sprang in den Sattel, schlug dem Pferd mit der flachen Klinge, die sie nicht aus der Hand gelegt hatte, aufs Hinterteil. Sie ritt einen scharfen Galopp, überholte Kayleigh und die bunte Elfe, die Flamme genannt wurde. Sie folgte den Ratten in Richtung Mühle. Sie sah, wie hinter einer der Hütten ein Mann mit einer Armbrust hervorsprang, der Giselher in den Rücken zielte.
    »Hau ihn nieder!«, hörte sie von hinten. »Hau ihn nieder, Mädchen!«
    Ciri beugte sich im Sattel zur Seite, zwang mit einem Ruck an den Zügeln und mit Fersendruck das galoppierende Pferd zu einer Richtungsänderung, holte mit dem Schwert aus. Der Mann mit der Armbrust drehte sich im letzten Moment um, sie sah sein vor Entsetzen verzerrtes Gesicht. Die zum Schlag erhobene Hand zögerte einen Augenblick lang, und das genügte, dass das Pferd sie vorbeitrug. Sie hörte die losgelassene Sehne schnellen, das Pferd schrie auf, zuckte mit dem Hinterteil und bäumte sich auf. Ciri riss die Füße aus den Steigbügeln und sprang, landete geschickt in der Hocke. Die heranreitende Flamme ließ sich zu einem scharfen Hieb vom Sattel herabhängen, traf den Armbrustschützen im Genick. Der Schütze stürzte auf die Knie, krümmte sich nach vorn und fiel mit dem Gesicht in eine Pfütze, dass der Schlamm spritzte. Das verwundete Pferd wieherte und stampfte neben ihr, schließlich lief es zwischen die Hütten, wobei es heftig ausschlug.
    »Du Idiotin!«, schrie die Elfe, während sie an Ciri vorbeipreschte. »Du verdammte Idiotin!«
    »Spring auf!«, rief Kayleigh im Heranreiten. Ciri lief ihm entgegen, fasste die ausgestreckte Hand. Der Schwung riss sie hoch, das Schultergelenk knirschte, doch es gelang ihr, auf das Pferd zu springen und sich an den Rücken der hellhaarigen Ratte zu pressen. Sie gingen zum Galopp über, vorbei an Flamme. Die Elfe wendete, sie verfolgte einen weiteren Armbrustschützen, der seine Waffe fallen ließ und auf das Tor einer Scheune zu floh. Flamme holte ihn mühelos ein. Ciri wandte den Blick ab. Sie hörte, wie der niedergehauene Schütze aufheulte, kurz, wild, wie ein Tier.
    Sie wurden von Mistle eingeholt, die ein gesatteltes Handpferd mit sich zog. Sie schrie etwas, Ciri verstand die Worte nicht, begriff

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