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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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bist!«
    »Lass sie in Ruhe«, sagte Mistle plötzlich. »Wenn ich dich anschaue, Giselher, sehe ich plötzlich einen Nissir, einen Greifer oder einen von diesen Nilfgaarder Hundesöhnen vor mir. Und ich fühle mich wie beim Verhör, im Knast auf die Folterbank gebunden!«
    »Mistle hat recht«, sagte der Hellhaarige in dem Halbpelz. Ciri zuckte zusammen, als sie seinen Akzent hörte. »Das Mädchen will ganz offensichtlich nicht sagen, wer sie ist, und das ist ihr Recht. Als ich mich euch angeschlossen habe, war ich auch wortkarg. Ich wollte nicht zugeben, dass ich einer von den Nilfgaarder Hundesöhnen war  ...«
    »Red keinen Unsinn, Reef.« Giselher winkte ab. »Bei dir war das was anderes. Und du, Mistle, übertreibst auch. Das ist kein Verhör. Ich will, dass sie sagt, wer sie ist und woher sie kommt. Wenn ich das erfahre, zeige ich ihr einen Weg nach Hause, und fertig. Wie soll ich das tun, wenn ich nicht weiß  ...«
    »Nichts weißt du.« Mistle wandte den Blick ab. »Nicht einmal, ob sie überhaupt ein Zuhause hat. Ich glaube aber, sie hat keins. Die Greifer haben sie von der Landstraße aufgelesen, weil sie allein war. Das sieht diesen Feiglingen ähnlich. Wenn du ihr sagst, sie soll gehen, wohin sie die Füße tragen, wird sie allein in den Bergen nicht überleben. Die Wölfe werden sie zerreißen, oder sie verhungert.«
    »Was sollen wir also mit ihr machen?«, fragte mit jugendlicher Bassstimme der Breitschultrige, während er mit einem Stock die im Feuer brennenden Scheite zusammenschob. »Sie in der Nähe irgendeines Dorfes zurücklassen?«
    »Ein toller Einfall, Asse«, spottete Mistle. »Kennst du die Bauern nicht? Denen fehlen jetzt Arbeitskräfte. Sie werden das Mädchen zum Viehhüten schicken und ihr vorher ein Bein brechen, damit sie nicht weglaufen kann. Nachts wird man sie behandeln, als ob sie keinem gehörte, also allen. Sie wird für Verpflegung und ein Dach überm Kopf bezahlen, du weißt, in welcher Münze. Und im Frühling kriegt sie Kindbettfieber, wenn sie in einem dreckigen Stall irgendjemandes Bankert zur Welt bringt.«
    »Wenn wir ihr Pferd und Schwert lassen«, presste Giselher langsam hervor, den Blick auf Ciri gerichtet, »möchte ich nicht in der Haut des Bauern stecken, der ihr gern ein Bein brechen würde. Oder einen Bankert machen. Habt ihr den Tanz gesehen, den sie in der Schenke mit diesem Greifer aufgeführt hat, den Mistle später erledigte? Er hat die Luft zerhauen, und sie tanzte, als ob nichts wäre  ... Ha, ihr Name und ihre Herkunft gehen mich wirklich nicht viel an, aber wo sie solche Kunststückchen gelernt hat, würde ich gern erfahren  ...«
    »Die Kunststückchen werden sie nicht retten«, ließ sich plötzlich Flamme vernehmen, die sich bisher dem Schärfen ihres Schwertes gewidmet hatte. »Sie kann nur tanzen. Um zu überleben, muss man töten können, und das bringt sie nicht fertig.«
    »Anscheinend doch.« Kayleigh bleckte die Zähne. »Als sie im Dorf diesem Bauernvieh eins verpasst hat, ist die Brühe einen halben Klafter hochgespritzt  ...«
    »Und sie selber ist bei dem Anblick beinahe ohnmächtig geworden«, fauchte die Elfe.
    »Das ist doch noch ein Kind«, warf Mistle ein. »Ich kann mir denken, wer sie ist und wo sie die Kunststückchen gelernt hat. Ich habe solche wie sie schon gesehen. Das ist eine Tänzerin oder Akrobatin aus irgendeiner Wandertruppe.«
    »Und seit wann«, fauchte die Elfe abermals, »gehen uns Tänzerinnen und Akrobatinnen etwas an? Verdammt, es ist gleich Mitternacht, ich werde müde. Machen wir also endlich Schluss mit diesem leeren Gerede. Wir müssen uns ausschlafen und ausruhen, um morgen bei Tagesanbruch in Neuschmiede zu sein. Der Schultheiß dort hat, wie ihr wohl nicht vergessen haben werdet, Kayleigh an die Nissire ausgeliefert. Das ganze Dorf muss also sehen, wie die Nacht eine rote Farbe annimmt. Und das Mädchen? Sie hat ein Pferd, sie hat ein Schwert. Das eine wie das andere hat sie ehrlich erworben. Wir geben ihr ein bisschen was zu futtern und etwas Geld. Dafür, dass sie Kayleigh gerettet hat. Und dann soll sie reiten, wohin sie will, und sich selber um sich kümmern  ...«
    »Gut«, sagte Ciri, presste die Lippen zusammen und stand auf.
    Es trat Stille ein, nur unterbrochen vom Knistern des Feuers. Die Ratten schauten sie neugierig an, warteten.
    »Gut«, wiederholte sie, verwundert über den fremden Klang ihrer Stimme. »Ich brauche euch nicht, habe mich nicht aufgedrängt  ... Und ich will

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