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Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hatte schließlich nicht nur ihre sonnigen, heiteren Seiten. Wer mit offenen Augen und Ohren durchs Leben ging, der erhielt dafür jeden Tag neue Bestätigung ...
    Neruda stieg über die kniehohe Bretterwand, setzte sich neben der ruhig daliegenden Ziege ins Heu und streichelte über ihr borstiges Haarkleid.
    Als er vorsichtig über ihren prallen Bauch strich, geschah es.
    Die Wehen setzten ein!
    Das Tier stieß einen langgezogenen Schrei aus, und dann öffnete es sich auch schon dem neuen uralten Leben, das mit berserkerhaftem Druck und unaufhaltsamer Dynamik aus ihm herausdrängte .
    *
    In der Prager Burg
    »Vielleicht habt Ihr recht, vielleicht hätte ich Euch reinen Wein einschenken und Euch warnen müssen - aber die Sorge, Ihr könntet unverzüglich wieder abreisen, hielt mich davon ab .«
    Matthäus Wenzel überlegte, ob ihn die Worte des Grafen Martinic noch wütender machen sollten, oder ob er sie als schwache Entschuldigung gelten lassen konnte.
    Bei Kerzenschein saßen sich die beiden so gänzlich unterschiedlichen Männer gegenüber - unter vier Augen. Wenzel hatte auf Zeugen verzichtet, und Jaroslav Martinic ebenfalls.
    »In der Nachricht, die mich in Dresden erreichte«, sagte Wenzel, »war die Rede von einer durchscheinenden Frau, die überall bitteres Sterben hinterließ, wo sie sich herumtrieb . Doch davon sah ich nichts, als ich ihren Kerker betrat.«
    »Ich selbst vermag dies nicht zu bezeugen«, gab der Graf unumwunden zu, während er einen durstigen Schluck aus einem Brokat-kelch nahm, in dem schwerer Wein schimmerte.
    Wenzel hatte jeden ihm angebotenen Umtrunk, selbst reines Brunnenwasser, abgelehnt. Was das Trinken anging, so hielt er strenge Zeiten ein. Dies hatte er von seinem Vater übernommen, und dieser schon von seinem.
    »Als man sie dingfest machte, hatte sie die Transparenz, die ihr die Leute nachsagen, bereits verloren - vollständig. Aber die tödliche, unsichtbare Aura, die jeden, der sich über längere Zeit in ihrer Nähe aufhielt, zum Ausdörren und Sterben brachte, war ihr noch zueigen. Ich erließ Befehl, Schwerverbrecher zu ihr in die Kerkerzelle zu sperren ... Anfangs überlebten sie die erste Nacht nicht. Danach schritt das Siechtum derer, die ich folgen ließ, langsamer - aber auch qualvoller - voran. Inzwischen hat das böse Karma so sehr nachgelassen, daß ich es wagen konnte, Euch hinabzuschicken. Ihr müßtet Tage nah bei ihr verbringen, um vielleicht auch noch Schaden zu nehmen. - Ich bitte Euch nochmals um Vergebung für das Versäumnis, Euch schon bei Eurer Ankunft in alle Details einzuweihen. Aber ... mir schien es wichtig, Euch unvoreingenommen ein Urteil bilden zu lassen!«
    Matthäus Wenzel schüttelte den Kopf. »Ich habe Euch nun genügend kennengelernt, um im künftigen Umgang mehr Mißtrauen walten zu lassen. Solltet Ihr allerdings wirklich von mir erwarten, daß ich Euch über das Wesen dieser jungen Frau unterrichte, habt Ihr das Amt, das der König Euch gab, eigentlich nicht verdient .«
    Der Kelch, den Martinic mit beiden Händen umfaßt hielt, erzitterte so heftig, das es aussah, als würde sich sein Inhalt über dessen Robe ergießen. Doch der Graf faßte sich ebenso schnell wieder, wie er beinahe die Contenance verloren hätte.
    »Man warnte mich vor Euch als einem Mann, der keinen Respekt kennt und der kein Blatt vor -«
    »Hört nur auf mit diesem Gewäsch!« Wenzel stemmte sich zornig aus dem weichen Sesselpolster und blieb noch einen Moment vor dem Grafen stehen, ehe er sich zur Tür des Kaminzimmers wandte. »Veranlaßt, daß mir eine Kammer für meine Gerätschaften geräumt wird - am besten in Nähe der Verliese! Danach laßt die Toten dorthin schaffen. Ich werde einen jeden aufschneiden, um zu erforschen, woran er starb!«
    Graf Martinics Gesicht hatte die Farbe des beinahe verschütteten Weines angenommen. Er nickte.
    »Danach möchte ich mit denen sprechen, die Umgang mit der Frau hatten, bevor sie gefangengenommen wurde!« Vor der Tür blieb Wenzel noch einmal stehen. Nicht zurück, sondern auf die kunstvoll vertäfelte Tür starrend, sagte er: »Zuguterletzt würde mich noch interessieren, inwieweit andere, der Graf Slavata zum Beispiel, über die Bedeutung der Gefangenen informiert sind.«
    »Nur Slavata ist eingeweiht«, erreichte ihn die Antwort. »Sonst kennen ein paar Soldaten Bruchstücke der ganzen Wahrheit .«
    »Falsch!« korrigierte ihn Wenzel, ehe er den Raum endgültig verließ. »Die Wahrheit, damit solltet Ihr Euch abfinden,

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