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Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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zunächst in einem Tonfall, als handele es sich um keine sehr bedeutungsvolle Feststellung. Dann jedoch hob er seine Stimme an, und der Graf erhielt eine vage Vorstellung von der zwingenden Kraft, die in Wenzel wach wurde, sobald es erst um Dinge ging, für die zu fechten es sich aus seiner Sicht lohnte: »Justus ist mein Schüler. Eines Tages wird er vielleicht meinen Platz einnehmen - und wie sollte er dies, wenn ich ihn von allen wirklichen Beschwernissen und Prüfungen fernhielte?«
    Martinic zuckte unverhohlen mürrisch mit den Schultern und wandte sich ohne einen weiteren Versuch des Widerspruchs zum Gehen.
    Matthäus Wenzel hörte ihn leise fluchen, nickte Justus noch einmal zu, und dieser schloß sich ihm mit kaum weniger Widerwillen an, als es der Graf gezeigt hatte.
    Draußen auf dem Gang empfahl sich Jaroslav Martinic mit den Worten: »Ich muß mich entschuldigen, daß ich Euch nicht selbst geleiten kann. Aber Slavata erwartet mich. Wir müssen noch einen Er-laß an die Stände verfassen .«
    *
    In den Tiefen der weitverzweigten Burg nistete klamme Kälte, und das verschlungene Gewölbe erschien Justus wie eine eigenständige Welt von erdrückender Fremdheit, die nicht das geringste von dem verschwenderischen Prunk ein paar Treppen darüber erahnen ließ.
    Martinic hatte ihnen drei Soldaten seiner Leibgarde zur Verfügung gestellt. Einer von ihnen war Justus schon aufgefallen, als er sich auf den Burghöfen umgesehen hatte: ein knochiger, hochgeschossener Mann mit einem kaum zu mißdeutenden brutalen Zug um den Mund. Er sprach nur das Nötigste und ging voraus, während die beiden anderen die Nachhut bildeten.
    Schon frühzeitig waren Schreie zu hören, aber je weiter sie hinabstiegen, desto mehr überlagerte ein ganz bestimmter alle anderen. Er war von solcher Qual gefärbt, daß es Justus fast so eng ums Herz wurde wie droben, als er Zeuge der Verbrennung des Leichnams geworden war .
    Die bloße Erinnerung daran weckte Übelkeit.
    Wie oft hatte er sich vorgestellt, Matthäus Wenzel einfach davonzulaufen. Doch das Unbekannte hatte ihn bei diesem Mann ausharren lassen. Wenn man so wollte, empfand Justus ihn einfach als das kleinere von zwei wählbaren Übeln. Und mochte sich Wenzel auch etwas anderes einbilden, so sah Justus selbst in ihm keineswegs den Vaterersatz. Manchmal verabscheute er ihn regelrecht - natürlich nicht dafür, daß er sich um Essen, Unterkunft und Ausbildung kümmerte, sondern dafür, daß er Justus mit allen erdenklichen menschlichen Abgründen und Perversionen konfrontierte.
    Es gab wenig, was Justus in Wenzels Dunstkreis erspart blieb. Kaum eine größere Stadt, die nicht von Hexen oder Satanstreuen unterwandert war. Überall in den Landen wurden heikle Prozesse geführt, und nicht einmal kleine Kinder waren gegen Anfeindungen oder die folgenschwere Anklage gefeit, mit dem Teufel gebuhlt zu haben. Justus hatte aber auch absurden Gerichtssitzungen und noch absurderen Hinrichtungen beigewohnt, einmal der eines störrischen Gauls, unter dessen Hufschlag sein Besitzer ums Leben gekommen war, und bis heute begriff Justus nicht, warum sein Ziehvater diesen Humbug mitgemacht hatte.
    »Hier ist es«, sagte der vorausgehende Soldat, der auf den Namen Niklas Strohov hörte. Er war ganz am Ende des von Fackeln erhellten Ganges stehengeblieben und zeigte auf eine vielfach gesicherte Tür, deren Holz sich mit Feuchtigkeit und zusätzlicher Schwere vollgesogen hatte.
    Und nicht nur damit, dachte Justus - ohne benennen zu können, was seine Instinkte darüber hinaus wahrnahmen.
    Aber dann entfernte Strohov sorgfältig jeden Riegel und verschaffte ihnen Zugang und Einblick in die Schreckenskammer dahinter .
    Justus erbrach sich sofort, nachdem er begriffen hatte, worauf der plötzliche Gestank beruhte, der ihnen aus dem Innern des Verlieses entgegenschlug. Und selbst Matthäus Wenzel prallte innerlich vor dem Grauen des Bildes zurück. »Allmächtiger, wie konnte man zulassen, daß ...?«
    »Zulassen?« Strohov unterbrach ihn grob. »Natürlich hätten wir die Leichen entfernen können! Aber der Graf meinte, Ihr solltet alles so vorfinden wie wir. Die Eindrücke sollten nicht verwässert werden .«
    Matthäus Wenzel ließ zu, daß Justus hinter ihm zurückfiel. Dieses eine Mal hatte er jedes Verständnis für dessen Reaktion, denn was der Soldat gerade angeführt hatte, konnte keine Rechtfertigung sein.
    Nicht für dies!
    Leichen .
    Über die Enge der Verlieskammer verteilt lagen mehrere Tote in

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