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Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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wohin der Petroleum gedrungen war, waberte blauviolettes Feuer! Neruda versuchte auf die Beine zu kommen und von der Gefahr abzurücken.
    Die Flammen griffen auch teilweise auf das Muttertier über . und spätestens da entpuppte sich die Ruhe, die es beibehielt, als etwas zutiefst Abnormes!
    Die Augen der Ziege starrten selbst dann noch vertrauensvoll auf Neruda, als die Flammen sich über das versengende Fell zu ihnen vorarbeiteten.
    Neruda sah nicht mehr hin. Unweit stand eine Heugabel gegen einen Stützbalken gelehnt. Nur noch vom dem Drang beherrscht, das Wahrwerden seiner Vision zu verhindern, taumelte er darauf zu, riß sie an sich - und stieß den eisernen Dreizack mit voller Wucht in die gerade wieder gewaltig aufgeblähte Haut.
    Sie barst.
    Und nicht nur das.
    Ein Laut, von dem Neruda instinktiv wußte, daß er noch keinem anderen Bürger dieser Stadt je zu Ohren gekommen war, erschütterte ihn bis ins Mark - und brachte etwas in seinem Verstand zum Zerspringen!
    Ein Lallen, das Neruda selbst zutiefst erschreckte, kam über seine Lippen. Irgendwo tief in ihm brach ein Damm .
    Etwas rüttelte an der Heugabel, die er immer noch festhielt, und als er hinabsah auf die zerrissene Membran, starrten ihm von dort Augen entgegen, denen das immer noch prasselnde Feuer nichts anzuhaben vermochte.
    Augen, die das einzig Fertige in einem sonst völlig unbeschriebenen Gesicht waren!
    Die mannsgroße, fahlblasse Gestalt schälte sich aus dem zusam-mengesunkenen Sack und streifte ihn ab wie ein altes Kleidungsstück.
    Ohne sich vor Neruda zu genieren, bildete das entsteigende Neutrum die Merkmale eines Mannes aus, dessen Geschlechtsteile und typischen Haarwuchs. Fast beiläufig berührten die Hände den Stiel der Heugabel und zogen den eisernen Dreizack mit einem saugenden Geräusch aus dem Körper.
    Nerudas Erwartung, Blut hervorquellen zu sehen, wurde enttäuscht. So schnell, daß der Blick kaum folgen konnte, schlossen sich die Einstiche und verheilten spurlos.
    Keine Narben . nichts!
    Abschätzige Blicke vermaßen Neruda, der die Gabel wie unter Zwang losließ. Noch während er den fremden Blicken trotzte, spürte er, wie das Blut in seinen Adern wärmer wurde, beinahe zu kochen anfing.
    Er stöhnte.
    Spielerisch drehte die Gestalt vor ihm die Heugabel, und während sich ein Lachen auf den allmählich an Ausdruck gewinnenden Zügen herauskristallisierte, erhielt Neruda seine Lektion in Sachen Schmerz. Er bekam zu spüren, wie es war, wenn ein Dreizack Bauch und Brust durchbohrte .
    Es gab kein Ausweichen, keine Chance zur Flucht.
    Die Umgebung explodierte für Neruda ins Groteske. Noch nie war er sich seiner so bewußt gewesen wie in den letzten Atemzügen, die der NEUGEBORENE ihm gönnte.
    Dann aber setzte der freie Fall ein. Der Absturz und das Verlöschen aller Sinne! Das letzte, was Neruda noch begriff, war, daß das Gesicht des Ungeheuerlichen eine verhöhnende Vertrautheit angenommen hatte - sich in einen Spiegel verwandelte.
    Einen Spiegel, der den Tod dessen, den er zeigte, überdauerte .
    *
    Matthäus Wenzel stieg noch vor Morgengrauen ein zweites Mal hinab in das Kerkergewölbe.
    Alles, was er vom Grafen Martinic verlangt hatte, war ihm bewilligt worden. Soldaten und Angehörige von Wenzels eigenem Gefolge, die er eigenhändig aus dem Schlaf gerüttelt hatte, waren dabei, ein kleines Laboratorium einzurichten, wie man es sonst vermutlich nur bei Alchimisten fand.
    Wenzel hatte viele Künste studiert, und selbst Alchimie, sofern sie sich nicht der unterirdischen Kräfte und der Finsternis bediente, war kein Tabu für ihn. Manchmal mußte man sich das Wissen des Feindes, den man anprangerte und bekämpfte, zueigen machen, um seine Überlegenheit zu wahren .
    Wenzel hatte vorsorglich Weisung erteilt, Justus nicht mit dem nächtlichen Treiben zu behelligen. Der Junge sollte sich ausschlafen und sein junges Leben nicht unnütz gefährden, solange nicht erforscht war, woraus die Gefahr genau bestand.
    Hätte Graf Martinic von dieser Rücksichtnahme erfahren, wäre er bestimmt darauf zu sprechen gekommen, was Wenzel in seinem Beisein geäußert hatte: Justus ist mein Schüler. Eines Tages wird er vielleicht meinen Platz einnehmen - und wie sollte er dies, wenn ich ihn von allen wirklichen Beschwernissen und Prüfungen fernhielte?< Aber auch Wenzel war nur ein Mensch, der seine Ansichten den Gegebenheiten anpaßte, und seit er das Verlies mit den Leichen betreten hatte, die mutmaßlich auf die dort gefangenengehaltene

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