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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Welt.
    »Ich bin froh, daß Sie so zufrieden sind, Gründer. Vielleicht sind wir hier im Dorf ein bißchen verwöhnt von den Errungenschaften des Professors. Schließlich steckt eine enorme Arbeit in diesem Projekt, selbst wenn ein strukturell so einfacher Gegenstand wie …«
    Diesmal rettete Roses’ Hartnäckigkeit den Projektleiter vor einer Panne.
    »Was ich wissen will«, forderte er, »ist, was ihr mit dem kleinen gescheckten Hund gemacht habt!«
    Und genau in diesem Moment, als sich häufende Mißverständnisse, Ärger und Spannungen sich wie ein Gewitter über dem Kopf eines Anwesenden zu entladen drohten, bekam Roses seine Antwort.
    Mit lautem Knall und heftigem Luftdruck, fast eine Minute früher, als die Computeruhr die Rückkehr des Hundes ankündigte (und eine Dreiviertelstunde nach der Abfahrt des letzten Zuges von Melbourne nach Mumblejug) war die Bühne wieder besetzt.
    Der Lärm der Explosion verhallte rasch in dem schalldichten Raum. Man rückte näher an die Bühne heran, fasziniert, noch nicht bereit zu glauben, was man sah, noch unentschlossen, ob es etwas Schreckliches war oder nicht. Ein zweiter Blick genügte, um jeden (nur vielleicht Roses noch nicht) zu überzeugen. Entsetzlich.
    »Was ist das?« krächzte David Silberstein.
    Das war eine verständliche Frage. Auf der Startbühne stand ein kleines hölzernes Gestell, wie man es gebraucht, um Tiere für Experimentierzwecke festzubinden. Zwischen den Beinen des Gestells, offenbar aus den Riemen herausgerutscht, die es festhalten sollten, lag ein sonderbar geflecktes Fell. Es ähnelte irgendwie einem Bettvorleger mit vier plattgewalzten Beinen. Seltsam bisher, aber nicht schrecklich. Es wurde erst zu einem Alptraum, wenn man die Augen in dem Bettvorleger sah und begriff, daß der Bettvorleger lebte.
    »Jammerschade«, sagte Professor Krawschensky, »die Knochenstruktur scheint den Wiedereintritt nicht überlebt zu haben. Die Probleme sind so komplex, wissen Sie …«
    Dann gingen ihm die Worte aus. Wenn man seine Phantasie anstrengte, war dieser Bettvorleger wiederzuerkennen. Selbstverständlich würden bei einem Hundekopf, dem die Schädelknochen fehlten, die Trommelfelle nach außen gedrückt, da das freischwebende Gehirn darauf lastete. Erklärlich war auch das wirre Durcheinander der Zähne im knochenlosen Kiefer. Und die braune Lache unter dem Vorleger, die immer größer wurde, weil Eingeweide und Blase ihren Inhalt nicht halten konnten. Auch die absolute Reglosigkeit war verständlich, trotz des Lebens, das noch in den Augen war – ohne Knochen als Stütze war auch die kleinste Muskelkontraktion eine schreckliche Qual …
    Trompete, Posaune, Trommel, bum-bum
    Waldhorn und Harmonium …
    Liza trat zur Seite, obwohl sie wußte, was hier getan werden mußte – sofort, bitte, bitte, sofort –, und es doch nicht fertigbrachte. David Silberstein rückte noch näher heran, als wäre er Zeuge bei einem Autounfall, aber entlastet durch das noch nachwirkende Mißverständnis (hatte wirklich jemand vor ein paar Sekunden noch von einem Hund gesprochen?). Professor Krawschensky nahm seinen Bleistift aus dem Kittel, beugte sich vor und tippte vorsichtig auf das Fell, um sich zu überzeugen – ganz beseelt von der Neugier des Wissenschaftlers –, daß wirklich kein Knochen darinsteckte. Und Manny Littlejohn, der sich vielleicht in diesem Moment vorstellte, daß er eines Tages auch so aussehen würde – wendete den Kopf ab und erbrach sich leise in sein Taschentuch. Er war ein alter Mann und sollte von solchen Bildern verschont werden.
    Es war vorauszusehen, daß Roses Varco dieses »lebende Bild« zerstören würde. Endlich diesen Bettvorleger mit dem gescheckten Hund in Zusammenhang bringend, den er in das Labor gebracht hatte, trat er vor, drängte die anderen mit den Ellenbogen zur Seite und hob das klägliche Fellgebilde hoch, ehe ihn jemand daran hindern konnte. Es schrie gellend und starb. Ohne Brustkorb sprengte die Muskelanstrengung, die zu diesem Schrei nötig war, die Lungen und das Herz. Roses hatte den Hund nicht gekannt und bevorzugte von Natur aus Katzen. Trotzdem weinte er – obwohl die Dorfkapelle gerade seine Lieblingsmelodie spielte –, mit Exkrementen an den Händen und einem unbestimmten Haß in seinem Herzen.
    Manny Littlejohn konnte Leid besser tragen als Roses. Er zog sich in eine Ecke des Labors zurück und setzte sich über seinen Armbandsender mit seinem Salonzug in Verbindung. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß

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