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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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einsame Insel im Meer. Äußere Einflüsse drängen von allen Seiten herein. Vielleicht war seine Neugierde zu groß, um ihr widerstehen zu können. Das ist bedauerlich, doch keine große Überraschung.«
    »Das hatte ich von Ihnen erwartet, Mr. Silberstein. Ich hingegen begrüße es, wenn junge Leute einen gesunden Drang nach Experimenten verspüren.«
    (Der gesunde Drang nach Experimenten war eine liberale Phrase für alle möglichen merkwürdigen Exzesse, angefangen bei geschlechtlichen Umtrieben mit Eseln auf dem Strand von Bournemouth bis zum Menschenopfer – nach der schriftlichen Einwilligung des Opfers – bei Antikriegskulten am elften Elften um elf Uhr.)
    »Leider ist Mervyn nicht mehr so ganz jung, Mrs. Lampton.« Er hätte den Namen nicht erwähnen sollen. Wenigstens hatte er die Zeitform richtig gewählt. Überzeugend sprach er weiter: »Er ist alt genug, um es besser zu wissen und sich an die Regeln zu halten. Er sollte wissen, daß die Gesetze dem Menschen nur helfen.«
    »Ich will mich nicht mit Ihnen darüber streiten. Mr. Silberstein.« Er hatte dieses mitleidige Lächeln bei ihr schon oft auf der Mattscheibe seines Fernsehers gesehen. »Einrichtungen wie Ihr Dorf ziehen immer reaktionäre Elemente an.«
    Er muckte nicht auf.
    Solange sie glaubte, sie wäre die Überlegene, konnte er ganz beruhigt sein.
    »Wenn Sie keine Fragen mehr haben, führe ich Sie gern im Dorf herum.«
    »Ich hörte, daß Ihre Männer vor ein paar Tagen in eine Straßenschlacht in St. Kinnow verwickelt waren.« Sie war auf ihren Besuch gut vorbereitet worden, das mußte man ihr lassen.
    »So etwas kommt öfters vor. Wir haben schon Schlimmeres erlebt.«
    »Woher kommt es, daß dieses Dorf bei der Stadtbevölkerung so unbeliebt ist?«
    »Wenn wir bei der Stadtbevölkerung unbeliebt wären, Mrs. Lampton, dann hätten wir das sicher nur Leuten wie Ihnen zu verdanken. Leuten, deren Eifer gegen soziale Mißstände so weit geht, daß sie auch dort den Teufel sehen, wo er gar nicht ist. Tatsächlich ist Ihre Frage gegenstandslos. Wir sind keineswegs unbeliebt in St. Kinnow.«
    »Was mir von dieser Straßenschlacht berichtet wurde, Mr. Silberstein, klingt nicht nach brüderlicher Nächstenliebe!«
    »Die Rädelsführer waren ortsfremde Personen, Touristen, ohne Zweifel Leute, die einen gesunden Drang nach Experimenten verspürten.« Er konnte ihr mit genauso billiger Münze zurückzahlen.
    »Fünfzehn Leute kamen dabei um, Mr. Silberstein. Besser gesagt, sie wurden von Arbeitnehmern Ihres wertgeschätzten, humorbegabten Gründers ermordet.«
    »Zwölf Menschen, Mrs. Lampton. Zwölf Menschen und drei vollkommen unschuldige Sicherheitsbeamte.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich will damit sagen daß der gesunde Drang nach Experimenten oft teuer zu stehen kommt.«
    »Für mich jedoch ist dieser Aufstand ein Beweis, daß ich richtig handle, wenn ich mit dem Finger auf dieses Dorf zeige und einen Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit entfache. Er beweist mir, daß Sie sich wie fast alle Wissenschaftler gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt verantwortungslos verhalten. Und zwar kriminell verantwortungslos!«
    Solche Schlußfolgerungen gehörten zu den Höhepunkten von Mrs. Lamptons Fernsehauftritten. Leider schauten ihr jetzt nicht Millionen zu. David stand auf, ging zur Tür und sagte: »Wollen wir jetzt nicht einen kleinen Rundgang durch das Dorf machen?«
    Während er Mrs. Lampton von Station zu Station begleitete – vom Elektrizitätswerk zu den Werkstätten und anschließend zum Supermarkt –, kehrten seine Gedanken zu der Besichtigungstour zurück, die er vor vier Tagen mit Manny Littlejohn veranstaltet hatte. Im Vergleich zu Manny Littlejohn war Mrs. Lampton ein reines Vergnügen. Der Gründer, der von dem Erlebnis mit dem gescheckten Hund so geschockt war, daß er sich nur durch Aggressionen wieder abregen konnte, hatte um sich gebissen wie ein tollwütiger Hund. Die Maibaumfeier hatte er mit einer kurzen Ansprache über Zeitverschwendung in Industrieunternehmen im Keim erstickt. Paul Kronheimer (und das öffentliche Vertrauen zu Kronheimers Bank) hatte er mit der Aufforderung vernichtet, ihm einen genauen Kontoauszug von jedem Arbeitnehmer zuzuschicken. Wofür das gut sein sollte, wußte niemand zu sagen. Die Frau des Chefingenieurs – eine attraktive, aber etwas unsichere Blondine – hatte Manny Littlejohn am Boden zerstört, indem er ihr laut und vernehmbar zuraunte, daß sie sich entweder einer

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