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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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sein. Lassen Sie die guten Leute gewähren … Und ich bin beeindruckt, Projektleiter. Sie leisten gute Arbeit.«
    David Silberstein blickte bescheiden zu Boden, die Finger übereinandergelegt, ein Kreuz bildend als Omen gegen dieses viel zu verfrühte Lob. Seine Gedanken huschten ängstlich voraus zu dem Experiment. Aber Professor Krawschensky wußte ja, was er machen sollte – ein todsicheres Experiment mit Blei. Die strahlende Laune des Gründers sollte demnach aller Wahrscheinlichkeit nach ungetrübt bleiben.
    Manny Littlejohn widmete sich jetzt wieder dem alten Professor. Er versuchte, ihm verwandtschaftlich gesinnt den Arm um die Schultern zu legen. Doch es klappte nicht mehr, die Illusion war verflogen, und er zog den Arm zurück. Sie schritten jetzt nebeneinander durch die Menge, die sich vor ihnen teilte – Meister und Diener fast –, durch die Fore Street und durch ein kleines Gatter, das den Weg zum Labor freigab. Liza Simmons folgte den beiden. Wenn der Gründer abwesend war, dachte sie nicht an das bedrückende Gewicht seiner Gegenwart und die schrecklichen Folgen seiner Unzufriedenheit. Sie wußte jetzt, da es zu spät war, daß sie David Silbersteins Auftrag an den Professor hätte weitergeben sollen. Wäre nur David nicht gewesen, der ihr seine Überlegenheit hatte zeigen wollen. Langsam kletterte sie die Stufen zum Labor hinauf. Sie hoffte das Beste und befürchtete das Schlimmste.
    Vom Rand der Menge aus beobachtete Roses Varco die kleine Gruppe. Er wußte, wer der Gründer war, doch empfand er weder Ehrfurcht noch Dankbarkeit. In ihm waren diese Gefühle für andere, kosmische Erscheinungen reserviert: für Stürme, Sonnenuntergänge, warme Füße, das Meer, eine Spinne in seiner hohlen Hand. Er hockte sich dort nieder, wo er gerade stand, und kraulte die Ohren eines Dorfköters, der gleich ihm von der Menge verwirrt war. Er wartete auf den Einsatz der Dorfkapelle. Der Köter ebenfalls. Er hatte ein geflecktes Fell und sollte bald auf eine Reise gehen.
    Krancz hatte am Fuß der Treppe Posten bezogen. Das Sonnenlicht flutete durch das große Atelierfenster in das Laboratorium hinein. Der Gründer sah sich forschend um, sah überall nur das Beste vom Besten, das sein Geld kaufen konnte. Auf der Startbühne stand ein Stuhl aus Ulmenholz. Das war so sehr tote Materie für ihn, so wenig das, was er in die Zukunft schicken wollte, daß er sich vor Furcht fast schüttelte. Und deshalb wurde er zornig. »Ein Rückzug, Igor?«
    »Rückzug? Ich verstehe nicht ganz.«
    »Experimente mit toter Materie. Die hast du doch schon vor Monaten abgeschlossen.« Drängend, ihm seinen Willen aufzwingend: »Das hast du doch, nicht wahr?«
    Liza, die jetzt auf der Schwelle des Labors stand, begriff nicht ganz. Wenn das Experiment mit dem Stuhl – das inzwischen mit Hilfe des Filters gelungen war – erfolgreich wiederholt werden konnte, mußte der Gründer vollauf zufrieden sein. Selbst das war schon ein Risiko, das sie gar nicht gern an des Professors Stelle übernommen hätte. Doch der Professor schien gebannt von dem durchbohrenden Blick des Versuchers.
    »Rückzug? Rückschritt … ja, in gewisser Hinsicht könntest du das so nennen, Emmanuel. Man muß manchmal« – entschuldigend, gleichzeitig bittend, daß man ihn zu einem Entschluß drängte, den er allein zu fassen nicht gewagt hätte – »man muß manchmal die Grundlagen noch einmal überprüfen, verstehst du?«
    »Nur, wenn die Mauern schief sind, Professor.«
    Nicht mehr länger Igor. Krawschensky blinzelte, begreifend, was in seinem Busenfreund vorgegangen war. Er schwankte zwischen verzweifelter Tollkühnheit und unentschuldbarer Feigheit.
    »Wir Wissenschaftler sind vorsichtige Leute, Gründer.« Er faßte wieder Mut – oder war es Angst? »Entdecken und bestätigen. Entdecken und bestätigen … Das ist die Methode des Wissenschaftlers.«
    »Hören Sie, Professor«, Manny lächelte, ein schrecklich wohlwollendes Lächeln, »einen Augenblick lang war ich in ernster Sorge. Es sah so aus, als würden Sie sich immer noch mit toter Materie befassen. Doch zwei Jahre Experimente mit toter Materie ist einfach zu lächerlich. Für einen Mann mit so brillanten Fähigkeiten.«
    »Natürlich, Gründer. Zu lächerlich.«
    Der Professor befreite sich aus seiner Erstarrung. Sein Blick wanderte durch die offene Labortür hinaus auf die Dorfwiese, wo die Menge in unbehaglicher Feststimmung verharrte. Man zwang ihn zu einem moralischen Kraftakt. Liza versuchte, ihn

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