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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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seine Trabanten dort ihre bezahlte Arbeit verrichteten, verließ er wortlos das Labor und setzte seine Besichtigungstour fort. David Silberstein begleitete ihn, wie seine Pflicht es verlangte.

 
IV
     
    »Ich bin Mrs. Lampton. Guten Tag. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mich so rasch empfangen haben.«
    David Silberstein blickte von seinem Schreibtisch hoch. »Ah, natürlich – die berühmte Mrs. Lampton, Mutter von vier Kindern.«
    »Wenn Sie sich über mich lustig machen wollen, Mr. Silberstein, sehe ich mich genötigt …«
    »Bedaure aufrichtig.« Er bedauerte nicht. »Ich dachte, ich hörte aus Ihren ersten Worten einen spöttischen Unterton heraus und reagierte ein wenig aggressiv. Das war natürlich töricht von mir.«
    »Ich glaube, das wird kein Routinegespräch, Mr. Silberstein.«
    »Ich hoffe es. Wenn Sie schon andere Forschungseinrichtungen besucht haben, sind Sie bestimmt mit den üblichen PR-Methoden vertraut. Ich wollte Sie nicht mit Routine beleidigen, Mrs. Lampton.«
    Das war nicht die übliche PR-Methode, aber trotzdem PR. Er hatte bereits mit Mrs. Lampton Bekanntschaft gemacht. Bei einem Gespräch, das er im Fernsehen verfolgt hatte. Sie schien zu glauben, daß man am ehesten in einer Atmosphäre der Gereiztheit die Wahrheit herausfinden konnte. In ira veritas. Deshalb beabsichtigte er, in der ihm bevorstehenden Auseinandersetzung mit Mrs. Lampton eine Politik zu verfolgen, die Herausforderung und Schmeichelei klug dosierte, um die Wahrheit erfolgreich zu vernebeln.
    »Was die Mutter von vier Kindern anbelangt«, sagte Silberstein, »glaube ich nicht, daß das Ihre Schuld ist. Die Zeitungen arbeiten so gern mit zugkräftigen Adjektiven.«
    »Tatsächlich empfinde ich es nicht als Schande, Mutter von vier Kindern zu sein, Mr. Silberstein.«
    »Natürlich nicht.« Es war ein Vorteil für ihn, daß sie keinen Sinn für Humor hatte. »Ich dachte nur, es stört Sie vielleicht, daß Sie Ihre Berühmtheit dem verdanken, was Sie sind – nicht wer Sie sind.«
    »Sie sind ein eigenartiger Mensch, Mr. Silberstein.«
    »Wieso eigenartig? Weil ich Sie als überdurchschnittlich intelligente Person behandle?«
    Sie würde Anstoß an dieser Antwort nehmen. Sie würde sie als Grobheit empfinden und sich trotzdem geschmeichelt fühlen. Sie lachte – ein unangenehmes Lachen – und trat ans Fenster. Ihr Urteil stand fest. Mit diesem Mann würde sie leicht fertig werden. Sie blickte hinunter auf das Dorf, das welk und verstaubt unter der gleißenden Sonne schmachtete. Die Hitzewelle dauerte nun schon neunundvierzig Tage. Sie würde mit diesem Dorf genausoleicht fertig werden wie mit seinem Vorsteher. Sie war eine energische, untersetzte Frau, mit vorspringendem Kinn und einem lose sitzenden Seidenkleid, das ihre großen Brüste nicht betonte.
    »Experimentier- und Forschungsdorf Penheniot …« Sie lehnte sich gegen das Glasfenster. »Eine verschwommene Bezeichnung. Was treiben Sie eigentlich hier?«
    »Erwarten Sie wirklich von mir, daß ich darauf antworte?«
    »Natürlich. Sonst hätten Sie mich gar nicht erst empfangen, oder?«
    Wenn ihr Brief nicht in einem so ungünstigen Moment eingetroffen wäre, hätte er sie bestimmt nicht empfangen. Er hatte einen vorgedruckten Briefbogen in seinem Schreibtisch, der höflich, aber bestimmt, neugierigen Wichtigtuern den Standpunkt klarmachte. Doch ihr Brief traf vier Tage nach der Inspektionsreise des Gründers ein, vier Tage, nachdem der Hund gestorben war, vier Tage nach Roses Varcos Tränen. David Silberstein mußte eine moralische Scharte auswetzen. Mrs. Lampton war Generalsekretärin des Komitees für moralisches Verhalten in der Wissenschaft. Soweit er über ihre Person unterrichtet war, war sie unbeliebt, penetrant neugierig, oft hysterisch. Doch sie vertrat eine Organisation die eine wichtige moralische Funktion erfüllte. Sie war deshalb eine Person, die gefährlich war und trotzdem respektiert werden mußte. Sie hatte an ihn geschrieben, am Tag seiner moralischen Niederlage. Sie hatte von Vorwürfen gesprochen, von Gerüchten, die dem Ruf des Dorfes schadeten. Sie hatte um eine Unterredung gebeten, um eine Chance, sich selbst zu überzeugen …
    »Ich habe Ihrer Bitte entsprochen, Mrs. Lampton -«, er stockte kurz, weil er seine große Lüge für später aufsparen wollte, »ich habe Sie hier empfangen, weil ich die Arbeit Ihres Komitees sehr schätze und weil ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, um diese Arbeit zu unterstützen.«
    »Alles, was in

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