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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Schönheitsoperation unterziehen oder Kleider anlegen sollte. Und so weiter, und so weiter. Selbst Josephs meisterhaftes Dinner, so koscher wie es nur koscher sein konnte, fand vor den Augen des Gründers keine Gnade.
    Der Höhepunkt von Littlejohns einfallsreicher Boshaftigkeit war die Begräbnisfeier, die er persönlich für den toten Sicherheitsagenten organisierte. Mervyn kam unter die Erde des kleinen Friedhofs unter den Bäumen, der gleichzeitig als Gemüsegarten für das Krankenhaus verwendet wurde. Es war ein Triumph des schlechten Geschmacks. Der Gründer bestand darauf, die Leichenrede selbst zu halten, und sprach mit Rührung und drohend erhobenem Zeigefinger. Mervyn, sprach er, wäre nicht das Opfer seiner eigenen Dummheit, sondern einer Krankheit geworden, die das ganze Dorf ergriffen hätte. Die Arbeitsmoral sei niedrig, Ideale vergessen, Bequemlichkeit und Zeitschinderei hielten überall Einzug. Er hoffte, sagte er, während die Sonne blutrot hinter den Baumwipfeln unterging, er hoffe, daß Mervyn nicht vergeblich gestorben sei. Sonst – seine Stimme sank zu einem traurigen Flüstern herab – sonst sei die Fortführung des ganzen Projekts gefährdet. Am Schluß seiner Rede bückte er sich, hob einen kleinen Kieselstein auf und legte ihn, ein Jahr zu früh, auf Mervyns Grabhügel. Es war eine Geste, die niemand – besonders Professor Krawschensky nicht – mißverstand.
    Mrs. Lampton, Davids schmerzliche Erinnerungen unterbrechend, deutete auf einen Platz unter den Bäumen hinter dem Krankenhaus. »Was ist das?« fragte sie.
    »Gemüse«, sagte David Silberstein, »nur Gemüse. Der Arzt und seine beiden Schwestern bauen es für ihren eigenen Bedarf an.«
    »Natürliche Düngemittel hoffentlich?«
    »Selbstverständlich.« Kein Düngemittel konnte natürlicher sein als Mervyn und seine dreizehn untragbaren Schicksalsgenossen. »Obwohl manchmal die Chemikalien, die die Bauern ringsum verwenden, bis hierher geweht werden.«
    »Es hat keinen Sinn, die Bauern dafür verantwortlich zu machen, Mr. Silberstein. Sie bedienen sich nur der Werkzeuge, die die Wissenschaft ihnen liefert.«
    Er führte Mrs. Lampton ins Krankenhaus, wo sie die Krankenkartei studierte. Eine Blinddarmoperation, ein paar resistente Fälle von Syphilis, ein paar Kranke, die an Umweltverschmutzung litten – alles Routinesachen. Die Dorfbewohner waren, wie der Projektleiter bereits erwähnt hatte, ein gesunder Schlag. Todesfälle wegen untragbaren Sicherheitsrisikos wurden nicht behandelt und deswegen auch nicht in der Kartei geführt.
    Die nächste Station waren die Werkstätten. Mrs. Lampton erwartete dort wohl schlecht abgeschirmte Isotopen und nachlässig verwahrte Bakterienkulturen. Aber in Wirklichkeit entdeckte sie dort nur frischgezimmerte Pulte für die Dorfschule und zwei Leute, die eine Kaffeemühle reparierten. Dann kamen die Quartiere der Chrononauten, die vom Projektleiter als Technologen in der Ausbildung ausgegeben wurden.
    »Sie sehen mir mehr wie Angehörige der Hitlerjugend aus«, meinte Mrs. Lampton bissig. Doch mit sechs Leuten konnte man noch keine Privatarmee aufbauen oder subversive Politik treiben.
    David ließ Mrs. Lampton alles sehen, was sie wollte, und überall fragte sie die gut vorbereiteten Dorfbewohner aus. Irgendwelche rätselhafte Krankheiten? Tiere, die für perverse Dinge mißbraucht wurden (wissenschaftlich perverse Dinge)? Irgendwelche Eingriffe in die Freiheiten des Individuums? Der Projektleiter hatte von seinen Leuten nichts zu befürchten. Von einer Ausnahme abgesehen. Und diese Ausnahme, der persönliche Freund des durch unglückliche Zufälle vivisektierten Hundes kam genau in dem Augenblick aus der Bücherei gestolpert, als Mrs. Lampton vorbeikam. Und er wurde seltsamerweise von Liza Simmons begleitet.
    Selbstverständlich redete Mrs. Lampton Roses Varco sofort an. Er versteckte sein Buch mit Science-fiction-Comics hinter dem Rücken und glättete mit feuchter Hand sein Haar. Er identifizierte Mrs. Lampton auf Anhieb als Sozialarbeiterin.
    David Silberstein seufzte. »Mrs. Lampton, das ist Liza Simmons, Assistentin im Labor, und das hier ist Roses Varco.«
    »Guten Tag, Mr. Varco«, zirpte sie, sich sofort den Empfänglicheren heraussuchend. »Können Sie mir vielleicht sagen, wie lange Sie schon hier arbeiten?«
    »Arbeiten?« Ein typisches Sozialarbeiterwort. Sein Verstand entwich, als habe sein Schädel plötzlich überall Spalten und Risse. »Ich? Arbeiten?«
    »Aber, aber, Mr. Varco«,

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