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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Barron-Lichtwellenunterbrecher; doch sie sagte kein Wort. »Was tat ich also? Ich benutzte den Barron-Lichtwellenunterbrecher. Er dehnte das Spektrum für mich aus. Nicht viel – nur eine hundertstel Sekunde. Dann war die Spektralverlängerung vorbei. Doch das genügte. Wenn ich mit Ultrazeitlupe filmte, war das genug.«
    Endlich hatte er das Okular des Bildwerfers richtig eingestellt. »Nun passen Sie auf, Kind, passen Sie auf!«
    Liza paßte auf. Im Beobachter flammte das Bild auf, ein Hologramm, das getreue Abbild eines viktorianischen Möbelstückes, ein unbezahlbares Stück, komplett mit rotem Samt, Quasten und gedrechselten Borden. Sie war entsetzt – Daniel mußte den Verstand verloren haben, als er sich von diesem Stück trennte. Oder hatte sie das Stück nicht in der Wohnung des Professors gesehen, gefüllt mit den kostbaren Erinnerungsstücken der Frau Professor? Sie sah, wie das Bild in Ultrazeitlupe verblaßte und dann wiederkehrte – das dauerte ungefähr so lange, wie man bis fünf zählt. Und das war das kurze Flackern, das jedem Start vorausging. Das Flackern dauerte ungefähr eine viertel Sekunde. Jetzt stabilisierte sich das Bild, so deutlich wie die Wirklichkeit, im Augenblick, ehe es in die chronomische Einheit hinüberwechselte.
    »Hier habe ich das Spektrum ausgedehnt. Passen Sie auf, mein Kind. Ohne Lichtwellenunterbrecher wäre jetzt nichts mehr zu sehen.«
    Und jetzt, in dem Moment vor der chronomischen Einheit, sah sie, was sich da veränderte. Die Quasten verblaßten, die Borde verwarfen sich, schienen in einen flüssigen Zustand überzugehen, die Intarsien aus Messing dehnten sich aus, als das Holz um sie herum … schmolz? Nicht das richtige Wort. Schrumpfte? Auch nicht besser. Sich verflüssigte, vermengte, verschrumpelte, verkohlte – kein Ausdruck wurde dem Anblick wirklich gerecht. Professor Krawschensky beugte sich vor und stellte den Bildbeobachter ab.
    »Hier haben Sie ihn«, sagte er, »hier haben Sie den Moment des molekularen Zusammenbruchs. Dauernd lag die Lösung zum Greifen nahe vor uns. Warum wir immer glaubten, der Zusammenbruch geschehe dicht vor dem Wiedereintritt in unseren irdischen Zeitfluß, ist mir jetzt unbegreiflich.«
    Liza war es durchaus begreiflich. Sie erinnerte sich an die vielen Diskussionen, die Streitgespräche. Sie erinnerte sich, daß man ihre Meinung verworfen hatte. Doch sie sagte nichts. Diese Dinge waren gar nicht so wichtig. Sie war jung. Sie hatte viel Zeit … (Hatte sie tatsächlich so viel Zeit? Waren die Tage denn nicht schon längst gezählt?) Sie konzentrierte sich wieder darauf, was der Professor ihr zu sagen hatte.
    »Sobald dieser Fehler entdeckt war, Liza, war alles andere ein Kinderspiel. Ich brauchte ja nur den Übertritt in die chronomische Einheit zu verzögern und beim Wiedereintritt die Bremse etwas zurückzunehmen.« Er spreizte kühn die Hände. »Ich tat es. Während Sie abwesend waren, unauffindbar, unsere Zeit verschwendend, leistete ich das alles. Es klappt perfekt. Erlauben Sie, daß ich es Ihnen vorführe.«
    Liza erlaubte es ihm. Er ließ Tische, Schirmständer und Zimmerpflanzen mit beeindruckender Zuverlässigkeit in die chronomische Einheit hinein- und herausgleiten. Die neue Technik funktionierte. Jedesmal. Selbst eine Wasserlilie aus Penheniot, die vom Professor mit japanischer Gewissenhaftigkeit in einer Milchflasche »arrangiert« wurde, verschwand und erschien wieder, ohne etwas von ihrer Frische zu verlieren. Liza war fasziniert. Gleichzeitig schämte sie sich, daß sie den alten Mann immer so gönnerhaft behandelt hatte. Es war sehr unfair von ihr gewesen, von einem bedeutenden Naturwissenschaftler auch noch zu verlangen, daß er eine bedeutende Persönlichkeit sein müsse. Nachdem lebende Materie erfolgreich in den Strom der Zeit versetzt und wieder zurückgeholt worden war, ließ der Professor nichts mehr zu wünschen übrig. Seine Theorien, sein ganzes Leben hatten hiermit ihr Bestätigung gefunden.
    Was noch blieb, war Abwicklung. Besonders der elektro-chronomische Zeitmechanismus ließ noch zu wünschen übrig. Im gegenwärtigen Zeitpunkt betrug die Fehlabweichung noch vierzig Prozent, wenn die Zeitzähler die Versuchsobjekte wieder aus der chronomischen Einheit in die Realzeit zurückholten. Doch das war nur ein untergeordnetes Problem. Im Computer steckte schon ein Entwurf für einen nuklearen Zeitzähler oder Zeitschrittmacher, dem man eine absolute Zuverlässigkeit zutrauen konnte. In Gedanken spielte

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