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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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begriff lediglich, daß es nur noch ein Wesen in der Welt gab, das sie mehr haßte als sich selbst, und dieses Wesen war Roses Varco. Sie runzelte die Stirn und konzentrierte sich wieder auf das Kauderwelsch des Veterinärs.
    Genau im richtigen Moment, dank des nukleischen Schrittmachers, kehrte das Schaf auf die Bühne zurück, ließ sein letztes Böllerchen fallen und kaute weiter. Professor Krawschensky war entzückt.
    »Liza, Liza, was für einen Beweis brauchen wir denn noch? Für uns zehn Minuten, für das Schaf – nicht eine Sekunde – nicht einmal für das – äh –, was es eben tut.« Er räusperte sich und haspelte weiter: »Und sehen Sie doch nur, Liza, welche Ruhe, welche Einfalt! Kann bei dieser Ruhe etwa ein Verdacht auf Schädigung der Gehirnzellen aufkommen?«
    Liza zweifelte im stillen, daß das Schaf über Gehirnzellen verfügte, denen man viel schaden konnte.
    »Rufen Sie den Veterinär an, Kind. Sagen Sie ihm, er soll jemand hierherschicken, weil wir das letzte Experiment durchführen. Wir werden bald diese irdische Welt verlassen, Liza – für immer.«
    Sie sah einen Funken greisenhafter Lust in seinen Augen, Offenbar regte der Erfolg seine Drüsen an. Sie fühlte einen leichten Schwindel, stand auf und ging ans Telephon.
    »Und Ihre Frau natürlich auch, Professor«, sagte sie mit der vulgären Deutlichkeit einer Marktfrau. »Sie werden sie doch nicht vergessen, oder?«
    Ihr Sarkasmus, ihr Mangel an Taktgefühl, schockierte ihn. Was hatte die Ehefrau mit seinem Erfolg zu tun? Seit wann besaß eine Ehefrau eine sexuelle Bedeutung? Liza wählte die Nummer des Tierarztes.
     
    An diesem Morgen brauchte Roses Varco ganz besonders den besänftigenden Einfluß der gewohnten Umgebung. Er mußte wieder zusammenwachsen. Die Nacht, der Morgen darauf und auch der Nachmittag hatten ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Er brauchte eine Bestätigung, daß die Welt ganz anders war, als sie sich darstellte. Deswegen schulterte er am Abend seine Angelrute und ging zum Kai hinunter.
    Da er den Badebetrieb vermeiden wollte, machte er sich ziemlich spät auf den Weg. Diese Vorsichtsmaßnahme war unnötig. Nach der Farce am Nachmittag lag eine bleierne Ernüchterung über dem Dorf. Badefreuden hielt man plötzlich für fin de siècle und für geschmacklos, obwohl das Wasser bereits wieder gereinigt war. Deshalb war der Kai verlassen, als Roses dort eintraf. Er stand einen Augenblick verloren da, schwitzte in der letzten Hitze des Tages. Der Schweiß brannte in den langen, blutigen Rissen an den Armen und Beinen, die von den Krallen seiner Katzen herrührten. Auch das Wetter störte ihn. Die Hitze hätte jetzt, zu Beginn des Herbstes, bereits nachlassen müssen. Der Rhythmus war irgendwie gestört. Er kratzte sich geistesabwesend an Armen und Beinen und setzte sich auf den Rand des Kais.
    Er befestigte einen Wurm am Haken und warf die Angel aus. Es störte ihn nicht – oder vielleicht hatte er es gar nicht bemerkt –, daß sich schon seit Wochen kein Fisch mehr in der Nähe des Kais gezeigt hatte. Der Schwimmer pendelte im Wasser auf und ab. Die harte Steinkante schnitt ihm ins Gesäß. Es roch nach Seetang und, hinter ihm, nach Gras. Die Welt war wieder in Ordnung. Er vertiefte sich voller Behagen in dieses Gefühl der Beständigkeit, des Unwandelbaren.
    Vertraut war ihm auch die Gegenwart von Edwin Solomons, David Silberstein, Daniel Jefferies, Liza Simmons. Jemand fand sich immer auf dem Kai ein, um neben ihm zu sitzen. Sie ließen ihn nur selten allein. Sie redeten mit ihm. Das meiste davon verstand er nicht, aber sie machten diese Woche wieder zu einem vertrauten Ablauf wie die Woche zuvor und die Woche, die davor lag.
    »Hast du etwas gefangen?«
    Sie fingen immer mit dieser Frage an. Roses zog den Rotz in der Nase hoch und stieß mit den Fersen gegen die Kaimauer.
    »Ich kam zufällig hier vorbei. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich eine Weile zu dir setze, oder?«
    »Es ist eine freie Welt.«
    »Wirklich? Glaubst du das wirklich?«
    Es war eine Redensart seines Vaters gewesen. Er bewegte sich unruhig. Sein Behagen war wieder etwas getrübt.
    »Du glaubst das immer noch? Du hast doch miterlebt, was sich heute nachmittag abgespielt hat.« Das war David Silberstein, der zu ihm sprach, nicht einer von den anderen. Frei wofür? Frei, um dich selbst zu zerstören? Meinst du vielleicht das? – Roses summte immer die gleichen drei Töne und wartete darauf, daß der andere fortging. Normalerweise setzten

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