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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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wieder ein, räusperte sich und wechselte das Thema. Da war noch das Problem Roses Varco. Es seien eine Menge Beschwerden eingelaufen, und es war bestimmt im Interesse aller Beteiligten, diese Angelegenheit zu klären. Wenn er, Narsius Harlien, nicht an Land kommen konnte (er wollte sein Gesicht bewahren), dann konnte vielleicht Roses Varco ihn nach St. Kinnow begleiten.
    David Silberstein antwortete, daß niemand gegen seinen Willen in dem Dorf zurückgehalten werde, und schickte einen Mann nach Roses Varco aus. Er stellte Varco neben sich auf das Kai und fragte ihn – alles nach den Spielregeln der Fairneß –, ob er mit dem freundlichen Herrn im grauen Anzug nach St. Kinnow gehen wollte.
    Roses hatte keine Schwierigkeit mit dieser Frage. Der freundliche Herr erinnerte ihn viel zu sehr an den Vorsitzenden des Ausschusses für die Versorgung von geistig Behinderten, dem man ihn einmal vorgeführt hatte. Und die Verrückten in den Booten, die ihre Plakate schwangen, waren mustergültige Vertreter jener Eigenschaften, die er an seinen Mitmenschen am meisten fürchtete. Er scharrte mit den Füßen und murmelte nein. David schob ihm das Mikrophon vor das Gesicht und bat ihn, seine Worte zu wiederholen. Nur für das Protokoll. Roses’ Standpunkt wurde vielfach verstärkt allen Bewohnern des Tales klargemacht:
    »Mit dem alten Gockel im grauen Anzug? Ich mag keine Brillenschlangen. Und schon gar nicht die Burschen in den Booten. Mag sie nicht.«
    Damit wäre in einem freien Land die Angelegenheit erledigt gewesen.
    Narsius Harlien sah das ein. Er machte Anstalten, sich zurückzuziehen, allerdings mit der Warnung, er werde wiederkommen, nachdem er sich mit seinem Minister beraten hätte. Doch seine Begleiter, die der Ansicht waren, er habe sich ihrer Demonstration angeschlossen statt umgekehrt, waren nicht so einsichtig. Sie warfen ihre Plakate weg und zogen allerlei illegale Handwaffen unter den Sitzen und Duchten hervor. Gegen seine private Überzeugung wurde der persönliche Referent der moralischen Ministerin über die Grenzlinie des Hafens geschoben.
    Hundert Meter vor dem Stand war ein Doppel-Laser fünf Zentimeter unter der Wasseroberfläche eingebaut. Er funktionierte wie ein Schneidmesser für Wurstscheiben und schnitt der Barkasse von Mr. Harlien den Kiel weg, als sie über die Grenzlinie von hinten geschoben wurde. Auch die Absätze des Rudergängers gingen dabei flöten, und bedauerlicherweise in den schwerbelasteten Booten, die dem persönlichen Referenten folgten, auch mehrere Zehen, die zu tief im Wasser lagen.
    Als die Boote sanken, wurden die Laser wieder abgeschaltet, um die Passagiere zu schonen. Die übrigen Boote, die das natürlich nicht wußten, ruderten schleunigst rückwärts und kreuzten vorsichtig in größerem Abstand, um Überlebende aufzunehmen. Die Salven aus Pistolen und Revolvern, die auf das Dorf abgegeben wurden, waren dementsprechend harmlos, da die Entfernung und die Aufregung zu groß waren. Die wenigen Helden, die sich nicht retten lassen wollten, sondern tapfer auf die verbotene Küste zuschwammen, wurden rasch durch Unterwasserentladungen von Spezialabwässern vertrieben, die aus Druckröhren heraussprudelten. Narsius Harlien klammerte sich ohne Brille an das Heck eines Bootes, das viel zu voll war, um ihn an Bord nehmen zu können. Wenigstens behauptete das später ein Sprecher seines Ministeriums.
    An Land tat man alles, um die Niederlage der Städter nicht in eine Demonstration ihrer Ohnmacht zu verwandeln. Gelächter und spöttische Gesten waren strikt verboten. Selbst Zuschauer, falls sie nicht in amtlicher Eigenschaft zugegen waren, wurden sofort nach Hause geschickt. Joseph Engels, der viel Sinn für praktische, simple Späße hatte, mußte mit Gewalt in einen kleinen Raum hinter dem Waschhaus gebracht werden, wo man ihm den Mund zuhielt. Das Dorf lag ruhig und wie ausgestorben unter der Mittagssonne zwischen Wasser und Hängen.
    Trotzdem bleibt eine Niederlage immer eine Niederlage, wie höflich und schonend man sie dem anderen auch beibringt. Und in einem Krieg, den keiner gewinnen kann, zieht eine Kampagne die andere nach. David Silberstein schritt mit gefurchter Stirn zurück in sein Büro. Wenn man ein Gefecht dadurch gewinnt, daß man nur auf einen Knopf drückt, ist das schon ein eigenartiges Gefühl. Diese Knöpfe waren doch nur ein Ausdruck seiner eigenen, persönlichen Ohnmacht. Selbst die Demonstration von Varcos Unzurechnungsfähigkeit war gelenkt worden und

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