Die Zeitdetektive 02 Der rote Racher
unter dem Publikum eine Panik aus. Die Menschen sprangen hektisch auf und rannten zu den Ausgängen. Einige stolperten und wurden einfach niedergetrampelt. Schreie gellten durch das Amphitheater. Soldaten marschierten auf und bildeten zusammen mit einigen Besonnenen eine Löschkette. So konnten sie wenigstens verhindern, dass das Feuer auf die Holzstangen übergriff, die das Velum spannten. Die Schiffe in der Arena hingegen standen lichterloh in Flammen. Innerhalb weniger Minuten hatte sich das Amphitheater in ein Tollhaus verwandelt. Und das Publikum, das gekommen war, um andere um ihr Leben kämpfen zu sehen, versuchte nun, die eigene Haut zu retten.
»Hoffentlich kommen Kim und Kija da gut raus!«, rief Julian besorgt.
»Bestimmt«, versuchte Leon seinen Freund zu beruhigen. »Du weißt doch: Kija war schon die Lebensretterin der Pharaonin Hatschepsut!«
Julian nickte stumm. Die kluge Katze aus Ägypten hatte sie nicht nur in einigen kniffligen Situationen beschützt, sondern ihnen auch geholfen, herauszufinden, wer Hatschepsut nach dem Leben trachtete. Plötzlich erwachte Julians detektivischer Spürsinn wieder. Er deutete auf den vergitterten Gang, der ihnen genau gegenüberlag. »Der Pfeil kam von da drüben«, sagte er. »Komm, lass uns dort mal nachsehen.« »In Ordnung, aber wir müssen aufpassen, dass wir Androtion nicht in die Arme laufen. Der hat bestimmt was dagegen, wenn wir uns von der Arbeit davonschleichen und hier herumschnüffeln.«
Die Jungen rannten durch den Untergrund des Colosseums und gelangten unbehelligt an ihr Ziel.
»Da, ein Pfeil!«, rief Julian aufgeregt. Er beugte sich über seinen Fund. »Sieh nur, er ist rot angemalt.«
»Blutrot«, präzisierte Leon. »Die Farbe des Rächers.«
»Den Pfeil hat er hier absichtlich liegen lassen«, vermutete Julian. »Der Rächer will eine Art Visitenkarte zurücklassen.«
»Vorsicht«, rief Leon in diesem Moment. »Nicht bewegen!«
Julian sah ihn verständnislos an: »Warum?«
»Da sind Spuren, gleich neben dir. Die könnten vom Rächer stammen! Zertrampel sie nicht!«, meinte Leon und bückte sich nun. »Sieht aus wie der Abdruck einer Sandale, oder?«
Julian gab ihm Recht.
»Hm«, machte Leon. »Es gibt nicht viele Arbeiter im Colosseum, die Sandalen tragen. Die meisten laufen barfuß herum. Aber einer trägt immer Sandalen.«
Julian sah seinen Freund an, und seine Augen wurden schmal. »Androtion …«
»Richtig!«, meinte Leon und begann, den Abdruck mit seinen Händen zu vermessen. »Drei Handbreit«, verkündete er und richtete sich wieder auf. »Jetzt müssten wir nur herausfinden, ob Androtions Schuhgröße mit diesem Abdruck übereinstimmt!«
»Wie willst du das anstellen? Meinst du, dass Androtion dir seine Quadratlatschen freiwillig unter die Nase hält?«
»Unter die Nase? Ne, lieber nicht«, erwiderte Leon und rümpfte grinsend die Nase. »Aber es wird sich schon eine Gelegenheit ergeben, warte nur ab. Komm, wir suchen Kim und Kija.«
Unbemerkt von Androtion schlichen sich die Jungen aus dem Colosseum. Draußen herrschte immer noch Chaos, doch die Freunde hatten Glück: Ein Sklave wies ihnen in dem großen Durcheinander den Weg zur Familie des Marcus, die den Platz vor dem Amphitheaters noch nicht verlassen hatte. Der Ädil schrie mit hochrotem Kopf auf einen Zenturio ein. Die Freunde hörten, dass es Tote und Verletzte unter den Zuschauern gegeben hatte. Hinter Marcus stand seine Frau Blandinia, deren Stirn von einer Zornesfalte geteilt wurde. Tochter Regina wirkte ebenfalls sehr gereizt. Nervös tippte ihr Fuß mit der eleganten Ledersandale auf den Boden. Offenbar wollte sie rasch nach Hause und hatte keine Lust, auf ihren Vater zu warten. Mehrere breitschultrige Sklaven hatten sich schützend um die Patrizierfamilie gruppiert. Ganz am Rand warteten auch Kim und Kija!
Julian und Leon liefen zu ihr. Kim schloss die Freunde überglücklich in die Arme. Kija stupste sie mit der Nase an.
»Schön, euch beide zu sehen!«, sagte das Mädchen.
»Ein Glück, dass ihr beide gut aus dem Hexenkessel herausgekommen seid«, erwiderte Julian. Leon beugte sich zu der schönen Katze hinab und kraulte sie hinter den Ohren, was Kija mit ausgiebigem Schnurren honorierte.
»Bei uns verlief alles einigermaßen glatt«, erzählte Kim und senkte die Stimme. »Aber Kaiser Titus hat getobt. In Marcus’ Haut möchte ich derzeit nicht stecken. Titus macht wieder ihn verantwortlich für den erneuten Anschlag.«
»Wir haben eine neue Spur!«, erzählte Leon,
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