Die Zeitdetektive 02 Der rote Racher
verrückte Idee gewesen! Leon verließ seine Deckung und rannte los. Egal, ob der Verfolger ihn sah. Egal, ob er ihn hörte. Leon musste zu seinen Freunden, so schnell es ging.
Der Junge hetzte keuchend über den Friedhof. Gerade als er die zierliche Silhouette von Julian ausmachte, schoss etwas von der Seite auf ihn zu. Leon schrie auf, erkannte aber, dass es Kija war, die ihn aufgeregt anfauchte.
»He, was ist denn mit dir los?«, fragte Leon. Rasch beugte er sich zur Katze hinab und wollte sie auf den Arm nehmen. Doch Kija wich aus und sprang auf einen Grabstein. Leon begann zu schwitzen. Er hatte wirklich keine Zeit zum Fangenspielen. Da bemerkte er, dass Julian auf ihn zurannte. Auch Kim tauchte aus der Dunkelheit auf. Leon atmete tief durch und ging zur Katze, die auf dem Grabstein hockte. Der Junge sah genauer hin. Sein Herzschlag setzte einen Schlag aus: Kija hatte das Grab von Aurelius entdeckt!
»Schaut her!«, rief Leon seinen Freunden zu. »Aber beeilt euch, wir werden verfolgt!«
Die Freunde warfen einen hastigen Blick auf die Grabinschrift.
»Ich fasse es nicht«, meinte Kim. »Aurelius war nicht nur Gladiator, sondern auch ein hoher Beamter!«
»Na und?«, fragte Julian etwas ungeduldig, während er ängstliche Blicke in die Dunkelheit schickte. »Lasst uns endlich abhauen. Ich will dem Kerl, der uns verfolgt, nicht in die Hände fallen.«
»Ja, lasst uns verduften«, meinte auch Leon. »Aber wir müssen herausfinden, wieso ein hoher Beamter Gladiator wurde.«
»Alles zu seiner Zeit«, flehte Julian. »Nur weg hier!« Er drehte sich um und wollte zum Ausgang des Friedhofs laufen. Doch er kam keinen Schritt weiter. Vor ihm hatte sich ein Mann aufgebaut, der die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht gezogen hatte.
Jetzt ist alles vorbei, dachte Julian voller Panik. Das ist der Rote Rächer! Wir sind ihm zu dicht auf den Fersen. Gleich sind wir tot.
Der Mann stand einfach da, sagte kein Wort und rührte sich nicht.
»Wir … wir haben Besuch bekommen«, stammelte Julian. Seine Stimme klang schrill. Nun drehten sich auch Kim und Leon um. Unwillkürlich rückten die Freunde dichter zusammen.
»Bleibt ruhig«, befahl der Mann und zog die Kapuze zurück.
»Flavius!«, entfuhr es Julian, der erleichtert war, dass er den Wirt vor sich hatte. »Warum bist du uns gefolgt?«
»Ich wollte wissen, wer ihr seid und was ihr im Schilde führt«, antwortete Flavius. »Die Geschichte mit dem Bruder habe ich von Anfang an nicht geglaubt, Kleine.« Er schlug den Mantel zurück und gab den Blick auf ein Schwert frei.
Die drei Freunde wichen einen Schritt zurück. Kija ließ sich nicht einschüchtern. Ihr Schwanz peitschte aggressiv von einer zur anderen Seite.
»Drei Kinder, die so harmlos tun und viele Fragen stellen. Wer hat euch geschickt?«, wollte Flavius wissen. Seine Hand schloss sich um den Griff des Schwertes. Betont langsam zog Flavius die Waffe aus der Scheide.
»Niemand!«, antworteten die Freunde schnell.
Und dann erzählten die drei dem Wirt alles, was sie bisher über den Roten Rächer in Erfahrung gebracht hatten.
»Gut, ich glaube euch«, sagte Flavius, als die Kinder mit ihrer Geschichte fertig waren. »Aber Aurelius kommt nun wirklich nicht infrage. Er ist tot. Leider, denn er war wirklich ein feiner Kerl. Und irgendwie freue ich mich, dass sich jemand für sein Schicksal interessiert, beim Jupiter!«
»Ach?«
»Ja, denn Aurelius war das Opfer einer Intrige. Das erzählte er jedenfalls damals häufiger. Und ich habe ihm das geglaubt.«
»Weswegen wurde er denn verurteilt?«, fragten die Freunde.
»Angeblich hatte Aurelius etwas gestohlen«, berichtete Flavius. »Doch das erscheint mir unwahrscheinlich, denn das hatte er nicht nötig. Er kam aus einer reichen Familie. Außerdem hatte er beruflich viel Erfolg, bis die Sache mit dem Diebstahl kam. Das war ein abgekartetes Spiel, wenn ihr mich fragt. Der Richter Cornelius hat damals das Urteil gesprochen.« Flavius lachte kurz auf. »Ausgerechnet Iudex Cornelius, dieser elende Ebriosus, dieser Trunkenbold!«
»Weißt du auch, welches Amt Aurelius bekleidet hat, bevor er zum Gladiator wurde?«, wollte Leon jetzt wissen.
»Du meinst, bevor er zum Tode verurteilt wurde«, verbesserte Flavius ihn. »Nein, keine Ahnung, welches Amt er innehatte. Das hat er nie erzählt.«
»Schade«, meinte Leon. »Aus der Grabinschrift geht das auch nicht hervor. Weißt du denn, ob Aurelius noch Verwandte in Rom hat?«
Flavius verbarg sein Gesicht wieder unter der Kapuze.
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