Die Zeitfalte
geradeaus weiter und hielten dabei größtmöglichen Abstand von den Apparaten. »Auch wenn sie weder radioaktiv sind noch nach uns greifen und uns auffressen werden«, sagte Charles Wallace grimmig.
Der Weg schien kein Ende zu nehmen, aber dann kam doch die Rückwand des riesigen Saales in Sicht – und dort, an der Rückwand, befand sich etwas.
Plötzlich flüsterte Charles Wallace in panischer Angst: »Haltet mich ganz fest! Laßt um keinen Preis meine Hände aus! Er will mich aufsaugen!«
»Wer?« rief Meg entsetzt.
»Das weiß ich nicht. Aber er will sich in mich hineindrängen und mich aufsaugen. Ich kann ihn spüren.«
»Kehren wir um!« Calvin wollte ihn zurückreißen.
»Nein«, sagte Charles Wallace. »Ich gehe weiter. Wir müssen handeln, und das können wir nicht, wenn wir uns von unserer Angst leiten lassen.« Seine Stimme klang – alt. Und seltsam. Und fremd. Meg hielt seine kleine, schweißnasse Hand umklammert, so fest sie nur konnte.
Langsam näherten sich die drei Kinder der Rückwand des Saales.
Vor ihnen befand sich eine Plattform. Auf der Plattform stand ein Stuhl. Und in dem Stuhl saß ein Mann.
Was war es, das von ihm ausging? Es vereinte all die Kälte und Finsternis, die Meg empfunden hatte, als sie auf der Reise nach Camazotz durch das Schwarze Ding durchgehen mußte.
»Meine lieben Kinder!« begrüßte sie der Mann. »Ich habe euch bereits erwartet.« Seine Stimme war sanft und melodisch, keineswegs so kalt und furchterregend, wie Meg erwartet hatte. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß der Mann zwar zu ihnen gesprochen, dabei aber weder den Mund noch die Lippen bewegt hatte. Er sprach nicht zu ihnen, seine Worte klangen nicht an ihre Ohren; er sprach vielmehr in ihnen – wortlos; er hatte sich auf irgendeine Weise direkt in ihre Gehirne eingeschaltet.
»Aber wie kommt es, daß ihr zu dritt seid?« wollte er jetzt wissen.
Charles Wallace antwortete mit scheinbarer Dreistigkeit, aber Meg konnte spüren, daß er am ganzen Körper zitterte. »Oh, Calvin kam nur so mit – zum Spaß.«
»Ach was – wirklich?« Die Stimme, die in ihren Gehirnen sprach, hatte plötzlich eine gewisse Schärfe angenommen. Aber schon wurde sie wieder sanft und einschmeichelnd. »Dann kann ich nur hoffen, daß ihm die Reise bisher gefallen hat.«
»Er fand sie jedenfalls sehr lehrreich«, erwiderte Charles.
»Laß Calvin selbst zu Wort kommen.«
Calvin preßte die Lippen zusammen; sein Körper verkrampfte sich. »Ich habe nichts zu sagen«, knurrte er schließlich.
Gebannt und erschrocken zugleich starrte Meg den Mann an. Von seinen hellen Augen ging ein seltsamer rötlicher Glanz aus. Über seinem Kopf befand sich eine Lichtquelle. Das Licht glühte im gleichen zwingenden Rhythmus auf, wie die Augen des Mannes: rot, drohend, zitternden Pulsschlägen gleich.
Charles Wallace schloß die Augen. »Augen zu!« forderte er auch Meg und Calvin auf. »Nicht hinschauen. Nicht auf das Licht blicken. Nicht in seine Augen. Er will uns hypnotisieren!«
»Du bist ein kluges Bürschchen!« lobte die einschmeichelnde Stimme. »Es wäre natürlich besser, wenn ihr mich anschauen wolltet; aber es geht auch anders, junger Mann. Oh ja, es geht auch anders.«
»Versuchen Sie Ihre üblen Tricks nur ja nicht bei mir«, sagte Charles Wallace, »oder ich gebe Ihnen einen Tritt!« Meg hatte noch nie erlebt, daß Charles Wallace jemandem Gewalt androhte.
»Oh, du willst mich treten, kleiner Mann?« Das klang unbeeindruckt, sogar amüsiert; aber plötzlich tauchten aus dem Hintergrund vier Männer in schwarzen Schürzen auf und nahmen zu beiden Seiten der Kinder Aufstellung.
»Tja, meine Lieben«, sprach die Stimme weiter, »so ist das. Ich habe natürlich weder die Absicht noch das Bedürfnis, gegen euch Gewalt anzuwenden. Ich hielt es nur für das beste, euch vor Schaden zu bewahren – indem ich euch von allem Anfang an klar mache, daß es schlimm wäre, sich mir zu widersetzen. Bald werdet ihr ohnedies erkennen, daß ihr keine Ursache habt, mich zu bekämpfen. Keine Ursache – und kein Bedürfnis danach. Warum auch solltet ihr jemanden bekämpfen wollen, dessen einziges Anliegen es ist, Kummer und Schmerz von euch zu wenden? von euch und allen anderen ehrenwerten und glücklichen Bewohnern dieses Planeten. Denn ich, kraft meiner Stärke, bin bereit, alle Mühe, alle Verantwortung und die ganze Last des Denkens und Entscheidens auf mich zu nehmen.«
»Vielen Dank, wir treffen unsere Entscheidungen lieber selbst«,
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