Die Zeitfalte
ungern bei euch an, aber es wird euch einleuchten, daß ihr sie mir geradezu aufzwingt.«
»Wenn das so ist, rühre ich das Zeug gar nicht erst an!« erklärte Meg bissig. Sie war noch immer so trotzig wie sonst nur zu Direktor Jenkins. »Wahrscheinlich ist es sowieso vergiftet.«
»Nun«, sagte die Stimme geduldig, »unsere synthetische Nahrung läßt sich natürlich nicht mit eurem ekeligen Gemisch aus Bohnen und Speck vergleichen, aber ich versichere euch, daß sie dafür weitaus bekömmlicher ist. Und wenn sie auch nach nichts schmeckt, so werdet ihr euch doch schon nach kurzem Training einbilden, gebratene Hähnchen zu speisen.«
»Wenn ich jetzt etwas essen müßte, würde ich mich bestenfalls übergeben«, beendete Meg die Debatte.
Charles Wallace trat einen Schritt vor, ohne dabei Meg und Calvin loszulassen.
»Also, wie geht es jetzt weiter?« fragte er den Mann im Thronsessel. »Schluß mit dem Geplänkel. Kommen wir zur Sache.«
»Genau das hatten wir beide vor«, antwortete die Stimme. »Leider kam uns deine Schwester dazwischen, was dich beinahe eine Gehirnerschütterung gekostet hat. Wollen wir es noch einmal versuchen?«
»Nein!« rief Meg. »Nein, Charles! Bitte nicht! Laß es mich machen. Oder Calvin.«
»Das geht nicht. Diesem Vorgang ist bestenfalls das Nervensystem eures kleinen Charles Wallace gewachsen. Würdet ihr versuchen, die erforderlichen Hirnströme zu aktivieren, müßte euer Gehirn platzen.«
»Aber das von Charles Wallace nicht?«
»Voraussichtlich nicht.«
»Aber die Möglichkeit besteht immerhin?«
»Möglich ist alles.«
»Dann darf er sich nicht darauf einlassen!«
»Und ich dachte, ihr gesteht jedem das Recht zu, seine eigene Entscheidung zu treffen … «
Meg gab noch nicht auf. Mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit, die sie schon so oft in Schwierigkeiten gebracht hatte, bohrte sie weiter:
»Sie bleiben also dabei, daß Calvin und ich nicht erfassen können, wer Sie wirklich sind?«
»Oh, nein, das habe ich nicht behauptet! Ich meine nur, daß ihr es nicht auf dieselbe Weise erfassen könnt, wie Charles. Auch liegt mir gar nicht daran, daß ihr es herausfindet.« Die Gedankenstimme wechselte plötzlich den Tonfall. »Ah, da kommt ja euer Essen!«
Aus den Schatten tauchten jetzt vier weitere Männer in schwarzen Schürzen auf. Sie trugen – wie Kellner, die im Hotel aufs Zimmer servieren – einen weiß gedeckten Tisch; aus einem Speisenwärmer aus Metall duftete es verlockend nach gebratenen Hähnchen.
»An der ganzen Sache ist etwas faul!« dachte Meg. »An dem ganzen verdammten Camazotz ist etwas faul.«
Wieder brach die Stimme in ihrem Gehirn in Gelächter aus. »Natürlich riechen die Speisen nicht wirklich, aber kommt es denn ausgerechnet darauf an?«
Charles Wallace fand das keineswegs witzig. »Ich rieche gar nichts«, sagte er.
»Ich weiß, ich weiß, junger Mann! Wie schade, daß du dich um den Genuß bringst. Dir wird alles bloß wie Sand im Mund schmecken. Trotzdem empfehle ich dir, tüchtig zuzugreifen. Ich möchte nämlich nicht, daß deine Entscheidungen von einem hungrigen Magen beeinflußt werden.«
Die Männer in den dunklen Schürzen stellten den Tisch ab und begannen aufzudecken. Sie häuften die köstlichsten Speisen auf die Teller: knusprige Hähnchen mit Bratensauce und Mayonnaise; Kartoffelbrei und frische grüne Erbsen zwischen sanft schmelzenden Butterstücken; und Oliven und Sellerie und rosige Radieschen; und Preiselbeeren und gebackene Bananen mit Schokoladenguß …
Megs Magen begann laut zu knurren. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen.
»Oh jemine … «, murmelte Calvin.
Die vier Männer, die das Festessen herbeigeschleppt hatten, brachten auch Stühle und glitten dann in die Schatten zurück.
Charles Wallace befreite sich aus dem Griff von Meg und Calvin und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Setzt euch!« sagte er. »Wenn das Zeug vergiftet ist, ist es eben vergiftet. Ich glaube es aber nicht.«
Calvin nahm Platz. Meg blieb unschlüssig stehen.
Calvin kostete. Er kaute und schluckte. Dann strahlte er Meg an: »Echt ist es vielleicht nicht, aber die beste Imitation, die man sich vorstellen kann.«
Charles Wallace nahm einen Bissen in den Mund, schnitt eine Grimasse und spuckte alles wieder aus. »Das ist gemein!« schrie er den Mann an.
Wieder das Lachen. »Iß nur weiter, mein Bürschchen! Iß nur!«
Meg setzte sich seufzend. »Ich bin zwar dagegen, daß wir das Zeug essen; aber wenn ihr es tut, muß ich wohl
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