Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
Vom Netzwerk:
einem dunklen Planeten?«
    »Nein.« Calvin schüttelte mit Bestimmtheit den Kopf. »Es … es liegt ein Schatten auf uns. Aber wir bekämpfen ihn.«
    Das Tier, das Meg hielt, fragte: »Ihr drei seid demnach Kämpfer?«
    »Ja«, antwortete Calvin. »Seit wir erfahren haben, daß es den Schatten gibt.«
    Das große Tier wandte sich zu Herrn Murry um und sagte streng: »Du. Ältester. Mensch. Wo seid ihr zuletzt gewesen?«
    Herr Murry gab bereitwillig Auskunft. »Wir kommen von einem Planeten namens Camazotz.«
    Die drei Tiere begannen zu murren.
    »Wir gehören dort aber nicht hin«, stellte Herr Murry klar. »Wir waren dort ebenso Fremde, wie wir es hier sind. Ich wurde auf Camazotz gefangen gehalten, und diese Kinder kamen, um mich zu befreien. Meinen jüngsten Sohn, er ist beinahe noch ein Baby, hat ES nach wie vor in seiner dunklen Gewalt.«
    Meg versuchte sich in den Armen des Tieres auf die andere Seite zu wälzen, damit sie Vater und Calvin wieder sehen und ihnen einen bösen Blick zuwerfen konnte. Warum plauderten sie alles aus? War ihnen denn nicht bewußt, wie gefährlich das unter Umständen war?
    Aber gleich wurde ihr Zorn wieder besänftigt, als die zärtliche Wärme, die von den Fühlern ausging, erneut ihren Körper durchströmte. Jetzt konnte sie ihre Finger und Zehen bereits beinahe wie gewohnt bewegen, und auch die Schmerzen hatten nachgelassen.
    »Wir müssen dieses Kind mitnehmen«, sagte das Tier, das Meg trug.
    »Nein!« rief Meg erschrocken ihrem Vater zu. »Verlaß nicht auch mich so, wie du Charles verlassen hast!« Vor Angst verkrampfte sich ihr Körper, und der plötzliche Schmerz ließ sie laut aufstöhnen.
    »Wehre dich nicht dagegen«, forderte das Tier sie auf. »Das macht es nur schlimmer. Sei ganz ruhig.«
    »Das hat ES auch gesagt!« rief Meg. »Vater! Calvin! So helft mir doch!«
    Das Tier wandte sich an Calvin und Herrn Murry. »Dieses Kind ist in Gefahr. Das müßt ihr uns glauben.«
    »Uns bleibt keine andere Wahl«, sagte Herr Murry. »Können Sie Meg wieder gesund machen?«
    »Ich hoffe es.«
    »Darf ich bei ihr bleiben?«
    »Nein. Aber ihr werdet stets in ihrer Nähe sein. Wir fühlen deutlich, daß ihr hungrig und müde seid, daß ihr ein Bad nehmen und euch ausruhen wollt. Und dieses kleine – wie nennt ihr es … ?« Das Tier richtete Calvin einen Fühler entgegen.
    »Sie ist ein Mädchen«, sagte Calvin.
    »… dieses kleine – Mädchen muß sofort in besondere Pflege genommen werden. Die Kälte des – wie sagt ihr dazu?«
    »Meinen Sie das Schwarze Ding?«
    »Das Schwarze Ding. Ja. Die Kälte des Schwarzen Dings brennt sich immer tiefer, wenn man nicht das Richtige dagegen unternimmt.«
    Die beiden anderen Tiere standen jetzt ebenfalls vor Meg und schienen sich mit ihren sanft wippenden Fühlern in sie hineinzuversetzen. Dieses Schweben und Schwingen der Fühler war so gleichmäßig und fließend wie die rhythmische Bewegung einer Meerespflanze.
    Wider jede Vernunft fühlte Meg sich in den Armen des Tieres so sicher und geborgen wie früher, wenn Mutter sich in den alten Schaukelstuhl setzte, Meg auf den Schoß nahm und sie in den Schlaf sang.
    Vater hatte ihr geholfen, ES zu bekämpfen. Jetzt wollte sie nicht länger Widerstand leisten. Sie lehnte ihren Kopf an die Brust des Tieres; und dabei merkte sie, daß dessen grauer Körper mit einem wohlig-weichen flaumigen Pelz bedeckt war, dem derselbe angenehme Duft anhaftete, der auf diesem Planeten auch in der Luft lag.
    »Hoffentlich ist mein Geruch dem Tier nicht zuwider!« dachte sie. Aber schon war ihr tröstlich bewußt, daß das Tier ihr auch den schlimmsten Geruch nicht übelnehmen würde.
    Je länger die große Gestalt sie wie ein Baby wiegte, um so mehr entspannte sich ihr kältestarrender steifer Körper. Nie könnte solche Wärme und so viel Zuneigung von einem Wesen ausgehen, das ES verkörperte. ES konnte Schmerz nur zufügen, aber ihn nie lindern. Nein, diese Tiere meinten es gut. Und daher waren sie gut. Meg seufzte tief wie ein satter Säugling … und plötzlich war sie eingeschlafen.
    Als sie wieder zu sich kam, waren die Schmerzen nur noch eine furchtbare, peinigende Erinnerung.
    Meg befand sich, gebettet auf eine herrlich weiche Unterlage, in einer kleinen Kammer. Es war finster. Meg konnte nichts erkennen als hin und wieder einen großen, schlanken Schatten, wenn sich eines der Tiere durch den Raum bewegte. Man hatte sie entkleidet, und soeben wurde sie von Kopf bis Fuß mit einer wärmenden und stark

Weitere Kostenlose Bücher