Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Stadttor und beeilte sich, in seine heruntergekommene, aber trockene Herberge zurückzukehren.
Wider Erwarten fand sich der Hufschmied am folgenden Tag wirklich bereit, das Pferd neu zu beschlagen, und so konnte Andreas nach einem betrüblichen Aufenthalt Augusta Raurica endlich verlassen. Der römische Grenzposten ließ ihn ohne jede Kontrolle passieren, aber die fränkischen Wachen erwiesen sich als misstrauischer. Sie durchsuchten mit grimmiger Genauigkeit seine Habseligkeiten, ohne dass Andreas erfahren hätte, wonach sie eigentlich genau Ausschau hielten. Er hütete sich jedoch, zu protestieren, denn die fränkischen Soldaten, von deren Kettenhemden und geschwungenen Helmen das Regenwasser tropfte, machten einen reizbaren und gefährlichen Eindruck. Schließlich befand man Andreas’ Gepäck einschließlich seines Schwertes für unbedenklich und er durfte das Frankenreich betreten. Als er gerade den Grenzposten hinter sich gelassen hatte, rissen die grauen Wolken auf und ein strahlend goldener Fächer von Sonnenlicht zeichnete sich am Himmel ab. Andreas Sigurdius beschloss, darin ein gutes Zeichen zu sehen, und gab seinem Pferd die Sporen. Es war noch ein weiter Weg bis Trevera.
Die Reise ging rascher und weniger beschwerlich voran als befürchtet. Am linken Rheinufer führte eine passable Straße entlang, deren vielfach geflicktes Pflaster immer noch ihre römische Herkunft verriet, und immer wieder befanden sich am Straßenrand Säulen mit Entfernungsangaben. Oft waren sie umgestürzt, zerbrochen oder überwachsen; aber die Distanzen, die auf ihnen eingemeißelt waren, stimmten auch nach fast vierhundert Jahren noch, und Andreas konnte an ihnen sein Vorankommen genau ablesen. Auf den meisten Säulen gaben Inschriften außerdem Auskunft, in der Regierungszeit welches Kaisers sie errichtet worden waren und welche Legion mit ihren Pionieren und Geometern Bau oder Reparatur des betreffenden Straßenabschnitts durchgeführt hatte.
Auch das Wetter hatte sich in den letzten Tagen erheblich verbessert; der Himmel erstrahlte jetzt die meiste Zeit lichtblau, nur einige bauschige weiße Wolken, die Andreas an die Ballen ägyptischer Baumwolle im Hafen von Portus Romae erinnerten, verdeckten von Zeit zu Zeit die Frühlingssonne. Die Übernachtungen waren allerdings weit weniger erfreulich, denn die Herbergen waren durchweg primitive Hütten mit wanzenverseuchten Strohlagern und ungenießbarem Essen. Nach einer besonders abstoßenden Unterkunft in der Nähe von Argentorate verzichtete Andreas auf weitere Erfahrungen dieser Art und schlief fortan unter freiem Himmel, denn die Gefahr, von Räubern überrascht zu werden, erschien ihm als das kleinere Übel.
Ansonsten verlief der Ritt ohne Zwischenfälle, und Andreas konnte sich darauf konzentrieren, Beobachtungen zu machen und Eindrücke zu sammeln, die für seine Mission möglicherweise von Bedeutung sein konnten. Es gab jedoch nur wenige Dinge, die ihm auffielen, und ein Zusammenhang mit dem Verhalten Karls oder gar Hinweise auf seine möglichen Absichten ließen sich überhaupt nicht erschließen. Nur eine Sache gab ihm zu denken: Fränkische Weine von Rhein und Mosel, die sich in Rom großer Beliebtheit erfreuten, waren seit etwa zwei Jahren nur noch schwer zu bekommen, entsprechend hoch war mittlerweile ihr Preis im Imperium, Andreas hatte sich selber oft genug über die völlig überzogenen Preise geärgert, die er jetzt für seine Lieblingsweine zahlen musste. Beim Anblick der zahllosen Weinberge, die er auf seinem Weg zu Gesicht bekam, fragte er sich, was der Grund für die plötzliche Knappheit sein könnte, denn der Weinbau schien zu florieren.
Der Verkehr auf der Straße war spärlich, nur selten traf er auf einen kleinen Zug mit Waren beladener Maulesel oder andere Reisende, weitaus häufiger waren die Ochsenkarren von Bauern, die auf dem Weg zur nächsten Ortschaft waren, um dort Hühner, Schweine und Getreide auf dem Markt zu verkaufen. Das änderte sich jedoch hinter Borbetomagus, als er sich dem Zentrum des Frankenreiches näherte. Die Straße wurde zunehmend belebter und Andreas musste sie mit allerlei Fuhrwerken und Reitern teilen, ab und zu auch mit einer Kolonne fränkischen Fußvolks. Die Soldaten schwitzen in ihren Brustpanzern aus Leder und unter der Last der Kettenhemden, die sie zusammengerollt mit dem Marschgepäck auf dem Rücken schleppten, während ihnen ihre Befehlshaber voranritten, alle anderen Reisenden von der Straße
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