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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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günstig. Es stellte sich nämlich heraus, dass im »Roten Drachen« viele Kaufleute abstiegen. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen, und manche von ihnen mochten Dinge zu erzählen haben, die für Andreas von Interesse waren.
    Er sah sich in dem Zimmer um, das nun für einige Zeit sein Zuhause sein würde. Mit der Stadtvilla seines Vaters, die er in Rom bewohnte, hatte der karge Raum nicht das Geringste gemeinsam. Grob verputztes Ziegelmauerwerk bildete die Wände, und eine Decke aus roh behauenen Holzbalken hing beängstigend dicht über seinem Kopf; bei einer Körpergröße von sechs Fuß war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich an einem der Balken eine Beule zuzog. Ein verzogenes hölzernes Bettgestell mit einer unförmigen Matratze stand gegenüber der Tür zum Korridor, zwischen deren Brettern sichtbare Spalten klafften. Wenigstens hatte sie ein klobiges schmiedeeisernes Schloss, sodass zumindest Gelegenheitsdiebe abgeschreckt wurden. Und auch durch das Fenster hätten sie sich kaum zwängen können, denn es war kaum größer als ein mal ein Fuß, und statt mit Glas war die Fensteröffnung mit dünn geschabtem Pergament verschlossen. Der Boden bestand aus geborstenen Marmortafeln, deren Inschriften teilweise noch lesbar waren. Andreas entzifferte die Worte » LUCIUS CAESAR PRINCEPS IUVENTUTIS « auf einem der Steine, und ihn schauderte unwillkürlich, ohne dass er wusste, warum. Doch allen sonstigen Mängeln zum Trotz war die Unterkunft sauber, und das Pferd war auch gut im Stall untergebracht. Nun konnte Andreas darangehen, seine Mission zu erfüllen.
      
    Durch einen verwinkelten, ziemlich düsteren Gang gelangte er zur Gaststube und setzte sich an den Tisch zu einer kleinen Gruppe von Kaufleuten, die sich von ihm gerne zu einem Becher Wein einladen ließen. Die hübsche, wenn auch etwas rundliche blonde Wirtin brachte ihnen das Abendessen, Schweinefleisch mit Kohl, und Andreas kam rasch mit seinen Tischgenossen ins Gespräch.
    Da war zum einen Beowulf, ein dicker Bajuware mit zotteligem, dunklem Bart und einer roten Nase, die seine Trinkgewohnheiten überdeutlich offenbarte. Er redete und lachte viel, am liebsten über seine zweideutigen Scherze. Dem Vernehmen nach handelte er mit dem Hopfenbier seiner Heimat, und seine reiche Kleidung ließ vermuten, dass seine Ware Anklang fand.
    Neben ihm saß ein groß gewachsener Mann mit strohgelbem Haupthaar und ebensolchem Schnurrbart, Knut Hladirson aus Ripen. Er war ein Däne und hatte es fertiggebracht, das abotritische Bernsteinmonopol zu umgehen. Seine Hoffnung, ein Pfund der kostbaren goldgelben Steine in der fränkischen Hauptstadt verkaufen zu können, hatte sich bisher nicht erfüllt, und möglicherweise war sein Misserfolg der Grund für seine Wortkargheit. Dafür trank er unglaubliche Mengen Wein, der auf ihn nicht die geringste Wirkung zu haben schien.
    Aethelred, der Letzte in der Reihe, war ein Angelsachse aus London. Er redete mit einem ausgesprochen amüsanten Akzent und war nach Trevera gekommen, um zu erkunden, wie groß das Interesse der Franken an britannischer Schafwolle war. Er behauptete, König Offa von Mercia und Wessex hätte ihn mit dieser Aufgabe betraut, und sein außerordentlich sorgfältig gearbeitetes rotes Wams mit breiten gestickten Borten als Besatz ließ es durchaus glaubwürdig erscheinen, dass er von Offas Hof kam. Er war glatt rasiert und trug die dunkelblonden Haare auffallend kurz, vermutlich entsprechend einer angelsächsischen Mode.
    »Mein junger Freund, ich sage Euch, bald wird kein Mensch mehr von Wein sprechen! Ihr Römer kommt sicher auch noch auf den Geschmack, und wenn es so weit ist, bin ich zur Stelle. Ja, mit Bier kann man wirklich Geld verdienen!«, lachte Beowulf und klopfte zur Bekräftigung seiner Worte auf seinen Geldbeutel. »Alleine in Mainz habe ich Bestellungen für einhundert Fass bekommen, und hier in Trier sind’s sogar noch mehr!«
    Andreas hatte sich zwar mittlerweile daran gewöhnt, dass die Franken mit ihren schwerfälligen Zungen fast alle Ortsnamen schauderhaft entstellt hatten, aber trotzdem schmerzten die barbarischen Laute immer noch in seinen Ohren. Er schluckte einen Bissen gekochtes Schwein hinunter und meinte dann: »Nichts gegen Euer Bier, Beowulf. Aber wir Römer trinken seit tausend Jahren Wein, und es ist schwer, einem alten Hund neue Kunststücke beizubringen.«
    Beowulf lachte schallend über Andreas’ Vergleich, und als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: »Einem alten

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