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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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können, brauchte damals inneren Frieden. Seitdem das Konzil von Nicaea hundertfünfzig Jahre zuvor den arianischen Glauben als Häresie verurteilt hatte, trennte ein tiefer Graben die Christenheit. Der Kaiser in Konstantinopel ließ die Arianer gnadenlos verfolgen, doch Rufus hatte kein Verlangen nach den grausamen Folgen theologischer Spitzfindigkeiten. Er ließ verkünden, dass die Nicaeische und die Arianische Kirche in voller Gleichberechtigung nebeneinander existieren sollten. Natürlich war es ein weiter Weg von den Worten zur Wirklichkeit, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten mit dem Kaiser von Ostrom, doch die Idee der Toleranz hatte sich als richtig erwiesen und dem Weströmischen Reich Jahrhunderte der inneren Ruhe geschenkt.
    In den Vertiefungen des schadhaften Pflasters sammelte sich das Wasser in flachen Pfützen, deren von Regentropfen bewegte Oberfläche einen trübgrauen Himmel spiegelte. Andreas verspürte keine Neigung, sich noch länger durch diesen traurigen Schatten eines Forums deprimieren zu lassen, und ging schnell und mit großen Schritten quer über den Platz. Als er gerade um eine Straßenecke gebogen war, hörte er plötzlich neben sich eine heiser krächzende Stimme.
    »Wahrsagungen, edler Herr! Wahrsagungen von einem Mönch von Mons Securus! Für nur einen achtel Denarius!«
    Andreas drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die schauerliche Stimme gekommen war. Ein Mann in einer dreckigen, zerschlissenen Mönchskutte kauerte in einem Hauseingang und streckte ihm eine Holzschale entgegen. Sein Alter war kaum zu schätzen, denn Schmutz bedeckte sein Gesicht und gut die Hälfte der Zähne schien zu fehlen. Er mochte dreißig sein, aber er konnte genauso gut auch schon siebzig Jahre zählen. Vermutlich wusste er es nicht mal selber genau. Nur eines konnte Andreas auf den ersten Blick sagen: Dieser Mensch ekelte ihn an.
    »Du behauptest also, ein Mönch vom Orden des heiligen Spicarius zu sein und wahrsagen zu können?«
    Andreas’ Stimme war schneidend, aber der vorgebliche Mönch schien es nicht zu merken. Sorglos plapperte er weiter. »Oh ja, Herr, das bin ich! Das bin ich! Und für eine bescheidene Münze will ich Euch …«
    »Nicht nötig«, unterbrach Andreas ihn, »ich kann selber die Zukunft voraussagen … und für dich sieht sie düster aus. Wie würde dir der Kerker in Aventicum gefallen, du verdammter Betrüger?«
    Der Bettler riss erschrocken die Augen auf. »Was meint Ihr? Ich weiß gar nicht … das ist …«
    »Für wie dumm hältst du mich? Die echten Mönche von Mons Securus stellen ihr Können nur dem Staat zu Verfügung! Nur ein kompletter Schwachkopf könnte einem verkommenen Kerl wie dir diese Geschichte abkaufen! Du weißt doch wohl, dass es ein schweres Verbrechen ist, wenn man sich als Spicarianer ausgibt … Ich sollte dich der Polizei übergeben.«
    Bei der Erwähnung der Polizei sprang der falsche Mönch auf, als hätte ihn jemand mit einer Nadel gestochen, raffte hastig die schmutzige Kutte und lief fast panikartig davon, so schnell ihn seine dünnen, haarigen Beine trugen. Andreas sah ihm grinsend hinterher, wie er um die nächste Straßenecke verschwand und in seiner Eile beinahe noch auf dem nassen Pflaster ausrutsche. Dann ging er weiter, in Richtung der Schmiede, wo er vor zwei Tagen ein neues Hufeisen in Auftrag gegeben hatte.
      
    Die Frau des Schmieds, eine Helvetierin mit energischer Stimme, schüttelte den Kopf. »Nein, es ist noch nicht fertig. Ursus wird sich darum kümmern, wenn er heute Nachmittag zurück ist. Kommt morgen wieder.«
    Der Tonfall, in dem sie das sagte, machte Andreas deutlich, dass eine Beschwerde über die Unzuverlässigkeit ihres Mannes sinnlos war. Er war der einzige Hufschmied in Augusta Raurica, daher konnte Andreas nicht riskieren, ihn zu verärgern, wenn er das Hufeisen überhaupt jemals bekommen wollte. Er verabschiedete sich kühl und ging wieder.
    Auf der Via Silua begegnete er einer ungewöhnlichen Gruppe. Ein Mann, der Kleidung nach ein Provinzlateiner aus bescheidenen Verhältnissen, kehrte mit einem Besen Straßendreck zusammen, den er dann mit einer Schaufel auf einen Eselskarren schippte. In seiner Nähe standen zwei Soldaten der kleinen Garnison von Augusta Raurica, Sueben mit blonden Schnurrbärten, deren rote Mäntel bereits vom Regen durchweicht waren. Es hatte den Anschein, als bewachten sie den Straßenkehrer, der seinerseits aussah, als kochte er vor Wut.
    »Ihr könnt mich alle mal!«, zischte er

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