Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
mit zusammengebissenen Zähnen. »Dass ich diese Drecksarbeit machen muss, ist der Beweis, dass ich recht habe!«
Normalerweise hätte Andreas nicht im Geringsten interessiert, was dahinterstecken mochte. Aber im Augenblick war er schon für die kleinste Abwechslung dankbar, daher ging er auf einen der Legionäre zu und fragte, was der Mann damit meinte.
»Ach, hört gar nich’ auf dem sein Geschwätz«, antwortete der Soldat in grauenvollem Latein mit hartem Akzent, »der is’ ein Spinner. Hat zu viel gesoffen und dann zu laut geschrien, dass die Arianer gottlose Heiden sind, und dass sie versuchen, die Nicaeer kleinzukriegen. All so’n Mist halt.«
Andreas nickte. Es gab halt immer ein paar Unruhestifter und religiöse Eiferer, denen der Frieden zwischen den Kirchen des Reiches nicht gefiel. Aber damit verletzten sie kaiserliche Gesetze, die es ausdrücklich untersagten, den jeweils anderen Glauben verächtlich zu machen oder zu verleumden.
»Ja, das findest du lustig, was?«, schimpfte der Mann. »Du bist sicher auch einer von den Arianern! Und der Kommandant der Garnison, der mich verurteilt hat, der ist ein Suebe, auch Arianer! Die ganze Garnison besteht nur aus arianischen Sueben, um uns Lateiner zu kontrollieren!«
»Pass auf, was du sagst!«, sagte der zweite Legionär. »Sonst hast du schnell noch ’ne Woche Straßenfegen am Hals, kapiert?«
Der Mann fegte stumm weiter, aber ihm war anzusehen, dass es in ihm weiter brodelte. Andreas bedankte sich beim Soldaten und ging weiter. Wenigstens hatte ihm diese unerfreuliche Sache für einige Augenblicke Unterhaltung beschert, und das war in seiner augenblicklichen Gemütsverfassung schon einiges wert.
Gleichmütig nahm er den nebelartigen, kalten Dauerregen hin und schritt weiter die Straße hinab, durch das verfallene Stadttor. Er stand jetzt am Ufer des Rheins, der sich träge durch sein Flussbett wälzte, lehmig braun von der Erde, die Regen und Schmelzwasser aus den Bergen in ihn hineingespült hatten. Dem Verlauf des Flusses folgend, verlief hier auch die Straße, die wenige Hundert Schritte stromabwärts die Grenze zum Frankenreich überquerte. Andreas spähte angestrengt in diese Richtung, aber er wusste, dass seine Erkundungen ohnehin sinnlos waren. Was hätte es dort schon zu sehen geben können? Und selbst wenn da etwas Ungewöhnliches gewesen wäre – vollkommen vergessen hatte man Augusta Raurica in Rom nicht. Der Grenzübergang wurde gesichert durch ein kleines Kastell, belegt mit einer Halbkohorte der VI. Legion Hispania Felix, und die Soldaten auf den Wachtürmen würden beunruhigende Aktivitäten auf fränkischem Gebiet sicher längst bemerkt haben. Einer der halbrunden Türme des Kastells war gegenüber den anderen erhöht, und auf ihm befand sich das T-förmige Gestell mit den sechs Signalflügeln des Innuetors. Eine feindselige Handlung der Franken, und die Flügel hätten sich aus ihrer Ruhestellung bewegt und die Meldung an die nächste, in Sichtweite stehende Signalstation weitergegeben. Die Kette der Stationen zog sich über die Alpenpässe, durch Ligurien und Eturien bis nach Rom, und dort wäre die Nachricht innerhalb weniger Stunden eingetroffen. Und das auch bei Nacht, denn bei Dunkelheit sorgten zwei verschiedenfarbige Öllampen an jedem der Flügel dafür, dass ihre Positionen erkennbar waren.
Andreas seufzte. Selbst wenn er etwas Auffälliges sehen würde, keine noch so schnelle und kühne Alpenüberquerung könnte ihm einen Vorsprung vor dem Zeit und Raum ignorierenden Innuetor verschaffen. Aber er wusste auch, dass die Kette der Signalstationen hier endete. War er erst einmal im Frankenreich, sah die Sache plötzlich ganz anders aus.
Dabei fiel Andreas Sigurdius auch wieder die unangenehme Tatsache ein, dass er sich als blutiger Anfänger auf einem Gebiet bewegte, wo vor ihm schon mehrere oströmische Kundschafter, die sicher keine Stümper waren, ein sicherlich wenig erfreuliches Ende gefunden hatten. Er hatte seit seinem Gespräch mit Marcellus Sator vor über einer Woche versucht, diesen Gedanken zu verdrängen, aber es hatte ihm einfach nicht gelingen wollen. Vielleicht ist das sogar besser so, dachte er, dann werde ich wenigstens nicht den Fehler machen, zu sorglos und leichtsinnig vorzugehen.
Der Regen wurde stärker und wuchs von einem feinen Nieseln zum Dauerbeschuss mit großen, schweren Tropfen, die laut klatschten, wenn sie auf die buckligen Steine der Straße trafen. Andreas machte kehrt in Richtung
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