Die zerbrochene Krone
Karren aufhalten, der dies nicht tun mußte.
Rand schloß das Wegetor, sobald die verbliebenen Töchter des Speers direkt hinter ihm hindurchgelangt waren, und als es verschwand, flüsterte Lews Therin: Sie ist fort. Fast fort. Erleichterung schwang in seiner Stimme mit. Im Zeitalter der Legenden hatte es den Bund von Behütern und Aes Sedai nicht gegeben.
Alanna war nicht wirklich fort, nicht mehr als sie jemals sonst fortgewesen war, seit sie sich gegen seinen Willen mit Rand verbunden hatte, aber ihre Gegenwart war weniger spürbar geworden, und genau das machte es Rand wahrhaft bewußt. Man konnte sich an alles gewöhnen, wenn man es als gegeben hinnahm. In ihrer Nähe war er sich ihrer Empfindungen und ihrer seelischen Verfassung bewußt und ebenso, wenn er nur darüber nachdachte, wußte er genauso gut, wo sie war, wie er wußte, wo seine Hand war. Nur Abstand zeitigte Wirkung, auch wenn er noch immer spüren konnte, daß sie irgendwo östlich von ihm war. Er wollte sich ihrer bewußt sein. Sollte Lews Therin in Schweigen verfallen und alle Erinnerungen an die Kiste irgendwie aus seinem Geist gelöscht werden, wollte er den Bund noch immer als Erinnerung an folgende Worte bewahren: »Vertraue niemals einer Aes Sedai.«
Er erkannte jäh, daß Jonan und Eben Saidin immer noch festhielten. »Laßt es los«, befahl er scharf - es war der Befehl, den Taim benutzte -, und er spürte, wie die Macht von ihnen wich. Ich töte sie, bevor es zu spät ist, murmelte Lews Therin. Auch Rand ließ die Quelle widerwillig los. Er haßte es stets, dieses Leben, die verstärkten Sinne loszulassen. Den Kampf loszulassen. Innerlich war er jedoch angespannt, sprungbereit und darauf vorbereitet, die Quelle erneut zu ergreifen. Dazu war er jetzt immer bereit. Ich muß sie töten, flüsterte Lews Therin.
Rand verdrängte die Stimme, schickte eine der Töchter des Speers - Nerilea, eine Frau mit kantigem Gesicht - in den Palast und ging dann an den Karren entlang, während seine Gedanken erneut und schneller als zuvor zu kreisen begannen. Er hätte nicht hierher kommen sollen. Er hätte Fedwin mit einem Brief schicken sollen. Die Gedanken kreisten. Elayne. Aviendha. Perrin. Faile. Berelain. Mat. Licht, er hätte nicht kommen sollen. Elayne und Aviendha. Annoura und Berelain. Faile und Perrin und Mat. Farbblitze, schnelle Bewegung - unmittelbar jenseits des Sichtfeldes. Ein Wahnsinniger, der in der Ferne zornig murrte.
Er bemerkte allmählich, daß sich die Töchter des Speers über den Geruch unterhielten. Sie deuteten an, er käme von den Asha'man. S ie wollten gehört werden, sonst hätten sie die Zeichensprache benutzt. Der Mond spendete genug Licht. Der Mond spendete auch genug Licht, um Ebens gerötetes Gesicht zu sehen und zu erkennen, wie fest Fedwin die Zähne zusammenbiß. Vielleicht waren sie keine Jungen mehr, aber sie waren dennoch erst fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Jonan hatte die Augenbrauen so weit gesenkt, daß sie seine Wangen zu berühren schienen. Zumindest hatte niemand erneut Saidin ergriffen. Noch nicht.
Er wollte zuerst zu den drei Männern hinübergehen, erhob aber dann statt dessen nur seine Stimme. Sollten sie es doch alle hören. »Wenn ich die Torheiten der Töchter des Speers verkrafte, könnt ihr es auch.«
Wenn überhaupt eine Reaktion erkennbar war, vertiefte sich Ebens Gesichtsröte noch. Jonan brummte. Sie alle entboten Rand einen Gruß, indem sie die Faust an die Brust legten, und wandten sich dann einander zu. Jonan sagte leise etwas, während er zu den Töchtern des Speers schaute, und Fedwin und Eben lachten. Als sie zum ersten Mal Töchter des Speers gesehen hatten, waren sie im Zweifel gewesen, ob sie diese fremdartigen Wesen, über die sie nur gelesen hatten, anstarren oder lieber davonlaufen sollten, bevor die mörderischen Aiel der Geschichten sie töteten. Kaum etwas anderes konnte sie mehr erschrecken. Sie mußten die Angst von neuem lernen.
Die Töchter des Speers sahen Rand an und verständigten sich jetzt in der Zeichensprache, wobei sie manchmal leise lachten. Sie waren sich vielleicht der Asha'man bewußt, aber da Töchter des Speers Töchter des Speers waren - wie Aiel Aiel waren -, machte das Risiko den Spott noch reizvoller. In den Geschichten führte niemand jemals ein solch verwickeltes Leben.
Sobald Nerilea mit der Nachricht zurückkehrte, sie habe Bashere und Bael gefunden und der Clanhäuptling führe die Aiel hier in Caemlyn an, nahm Rand seinen Schwertgürtel ab,
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