Die zerbrochene Krone
und Fedwin tat es ihm gleich. Jalani holte einen großen Lederbeutel für die Schwerter und das Drachenszepter hervor, den sie hielt, als wären die Schwerter Giftschlangen. Rand zog einen mit einer Kapuze versehenen Umhang über, den Corana ihm gereicht hatte, und hielt die Handgelenke auf dem Rücken verschränkt, die Sulin dann, angespannt vor sich hinmurmelnd, mit einem Strick zusammenband.
»Das ist Unsinn. Sogar Feuchtländer würden es als Unsinn bezeichnen.«
Er bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. Sie war kräftig und setzte ihre ganze Kraft auch ein. »Ihr seid zu oft vor uns davongelaufen, Rand al'Thor. Ihr paßt nicht auf Euch auf.« Sie betrachtete ihn als etwa gleichaltrigen Bruder, der aber manchmal unverantwortlich handelte.
Fedwin blickte finster drein, während seine Handgelenke ebenfalls zusammengebunden wurden, obwohl ihn zu fesseln die Tochter des Speers kaum Mühe kostete. Jonan und Eben sahen mit zutiefst gerunzelter Stirn zu. Ihnen gefiel dieser Plan ebenso wenig wie Sulin. Und sie verstanden ihn ebensowenig. Aber der Wiedergeborene Drache mußte keine Erklärungen abgeben, und der Car'a'carn tat es selten. Aber alle schwiegen. Eine Waffe beschwerte sich nicht.
Als Sulin vor Rand trat, sah sie ihm ins Gesicht und hielt dann den Atem an. »Das haben sie Euch angetan«, sagte sie sanft und griff nach dem schweren Dolch an ihrem Gürtel. Vielleicht nur etwas mehr als ein Fuß langer Stahl, fast ein Kurzschwert, aber das würde einer Aiel gegenüber nur ein Narr äußern.
»Zieht die Kapuze hoch«, befahl ihr Rand rauh. »Alles hängt davon ab, daß mich niemand erkennt, bevor ich Bael und Bashere erreicht habe.« Sie zögerte und sah ihm in die Augen. »Ich sagte, zieht sie hoch«, grollte er. Sulin könnte die meisten Männer mit bloßen Händen töten, aber ihre Finger gingen sehr sanft zu Werke, als sie die Kapuze um sein Gesicht zurechtzog.
Dann zog Jalani ihm die Kapuze lachend bis über die Augen. »Jetzt könnt Ihr sicher sein, daß Euch niemand erkennen wird, Rand al'Thor. Ihr müßt darauf vertrauen, daß wir Eure Schritte lenken.« Mehrere Töchter des Speers lachten.
Er erstarrte und hätte fast Saidin ergriffen. Fast. Lews Therin brummte in der Ferne. Rand zwang sich, ruhig zu atmen. Es herrschte keine völlige Dunkelheit. Er konnte unter dem Rand seiner Kapuze Mondlicht sehen. Dennoch stolperte er, als Sulin und Enaila seine Arme nahmen und ihn vorwärts führten.
»Ich dachte, Ihr wärt alt genug, besser laufen zu können«, murmelte Enaila mit gespielter Überraschung, Sulins Hand bewegte sich. Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, daß sie seinen Arm streichelte.
Er konnte nur sehen, was unmittelbar vor ihm lag, die mondbeschienenen Fliesen des Hofs und dann Steinstufen und Marmorfliesen bei Lampenlicht, bisweilen mit einem langen Teppichläufer bedeckt. Er strengte seine Augen an, wenn Schatten sich bewegten, spürte nach der verräterischen Gegenwart Saidins oder, schlimmer noch, dem Kribbeln, das verkündete, daß eine Frau Saidar festhielt. Blind wie er war, würde er einen Angriff vielleicht erst bemerken, wenn es zu spät wäre. Er hörte das leise Geräusch dahineilender Füße der wenigen Diener, die ihren nächtlichen Aufgaben nachgingen, aber niemand sprach fünf Töchter des Speers an, die anscheinend zwei mit Kapuzen verhüllte Gefangene begleiteten. Da Bael und Bashere im Palast lebten und Caemlyn mit ihren Männern überwachten, waren in diesen Gängen zweifellos schon seltsamere Anblicke gesichtet worden. Es war, als ginge man durch ein Labyrinth. Aber immerhin hatte Rand, seit er Emondsfeld verlassen hatte, bereits eines oder zwei Labyrinthe durchschritten, auch wenn er geglaubt hatte, einen deutlichen Weg zu verfolgen.
Würde ich einen deutlichen Weg erkennen, wenn ich ihn sähe? fragte er sich. Oder mißtraue ich allem schon so sehr, daß ich ihn für eine Falle halten würde?
Es gibt keine deutlichen Wege. Nur Fallgruben und Stolperdrähte und Dunkelheit. Lews Therins Brummen klang dumpf und verzweifelt. Es klang so, wie Rand sich fühlte.
Als Sulin sie schließlich in einen Raum führte und die Tür schloß, hob Rand heftig den Kopf, um die Kapuze abzuwerfen - und erstarrte. Er hatte Bael und Davram erwartet, aber nicht Davrams Frau, Deira, und auch nicht Melaine oder Dorindha.
»Ich grüße Euch, Car'a'carn.« Bael, der größte Mann, den Rand je gesehen hatte, saß in seinem Cadin'sor mit gekreuzten Beinen auf den grünweißen Bodenfliesen
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