Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
Schatten. Abwehrbereit hielt er das Kurzschwert über dem Kopf. Auf dem im Sonnenlicht funkelnden Knauf prangte das Antlitz eines Feuerfisches.
Während der Hüne mit Schaum vor dem Mund in den letzten Zuckungen lag, war Taramis starr vor Schreck. Warum hatte er die typisch dagonisische Griffzier nicht schon vorher bemerkt? War der angebliche Drachenkrötenreiter etwa ein Gaukler oder ein Wandler oder ein … Seelenfresser? So wie Bochim. Der Antisch hatte Xydia und Lasia in der Gestalt Asors mit genau so einem Schwert ermordet …
Einer der sechs Krieger, die sich Taramis im Halbkreis näherten, wagte trotz der Warnung eine Attacke. Er schätzte die Reichweite seines Langschwertes wohl für groß genug ein, um im Falle eines Treffers nicht vom Zeridianerblut vergiftet zu werden. Taramis wehrte mühelos zwei Streiche mit dem Stab ab, wirbelte dann herum und versetzte dem Mann einen Fußtritt gegen die Nase.
Es knackte, der Getroffene schrie und sackte mit verdrehten Augen zusammen.
Kulkan blieb im Hintergrund, während seine Kumpane nun gemeinsam auf den wehrhaften Bauern vorrückten. Taramis verlor den Hageren aus dem Blick, da er sich um die fünf anderen Schurken kümmern musste. Früher hätte er es jederzeit mit fünfzig Schwert- oder Axtkämpfern aufgenommen, doch nach zehn Jahren ohne Kampf war er etwas außer Übung. Nur deshalb hatte ihn der Hüne auch mit dem Ellbogenschlag überraschen können.
Von drei Seiten flogen schwere Klingen auf ihn zu. Er sprang über die erste hinweg, duckte sich unter der zweiten hindurch und lenkte die dritte mit Ez ab. Schon kam die Axt herangesaust. Selbst in der Zähen Zeit war der Hieb schnell und so raumgreifend, dass kaum Platz zum Ausweichen blieb. Taramis taumelte zurück und stieß mit dem Rücken ans Stalltor, wo noch der Dolch steckte.
Ein Recke, nur unwesentlich kleiner als der inzwischen tote Hüne, hatte dessen Spieß aufgehoben und nutzte nun den günstigen Augenblick, um mit der Waffe zuzustoßen. Taramis ließ Ez vorschießen, sodass sich beide Schäfte kreuzten. Schnell drehte er den Feuerstab wie einen Rührlöffel herum, bis der irritierte Angreifer den Speer nicht länger festhalten konnte und sich rasch zurückzog.
Sofort ließ Taramis den Stab wie einen Windmühlenflügel herumwirbeln und die Spitze nach rechts fahren. Sie schlitzte die Kehle eines kleineren Mannes auf, der sein Schwert gerade in die Seite des Bauern hatte treiben wollen.
Nun sausten zwei lange Klingen gleichzeitig auf ihn zu, eine wollte ihm den Kopf abtrennen, die zweite hatte es auf sein Herz abgesehen. Mithilfe der Zähen Zeit konnte er seinen Hals gerade noch retten, sah die Brust aber schon von dem anderen Langschwert durchbohrt, als er plötzlich ein Zischen vernahm.
Ein Pfeil bohrte sich in die Kniekehle des zustoßenden Angreifers. Er schrie, sein Bein knickte ein und Taramis lenkte die absackende Schwertklinge mit Ez von sich weg.
Die unerwartete Wendung ließ die übrigen Schurken zurückweichen.
Taramis blickte zum Gasthof hinüber. Auf der Holztreppe stand Ischáh; die Tür in ihrem Rücken war geschlossen. Sie hielt einen Bogen in der linken Hand und legte mit der rechten gerade einen neuen Pfeil auf.
Hinter dem Pferdewagen richtete sich unversehens Kulkan auf und schleuderte ein Holzscheit. Auch die Ganesin hatte ihn bemerkt, duckte sich, konnte dem Wurfgeschoss aber nicht ganz ausweichen. Es streifte ihre Schläfe, krachte gegen die Hauswand und fiel zu Boden. Ischáh griff benommen nach dem Türrahmen. Sie schien noch einen Augenblick lang gegen die Ohnmacht anzukämpfen, dann sank sie besinnungslos am Türpfosten zusammen.
»Das wirst du mir büßen, du verdammte Hure!«, brüllte der vom Pfeil Getroffene und begann auf die Bewusstlose zuzuhinken. Sein Langschwert benutzte er als Krücke.
Taramis riss den Dolch aus dem Stalltor und schleuderte ihn dem Mordbuben hinterher. Die Klinge traf ihn in der anderen Kniekehle. Er heulte vor Wut und Schmerzen auf und brach zusammen. Anstatt endlich aufzugeben, schleppte er sich wutschnaubend weiter auf Ischáh zu.
Die verbliebenen Schurken griffen Taramis indessen erneut an, um ihm endlich den Garaus zu machen. Wer immer sie dazu angestiftet hatte, er musste ihnen offenbar eine fette Belohnung versprochen haben, so wild entschlossen, wie sie ihr Vorhaben verfolgten. Jetzt änderten sie ihre Taktik, wohl, weil sie eingesehen hatten, dass sich der wehrhafte Mann in der Bauerntracht nicht einfach so nebenher umbringen
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