Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
einer ohne Gefährten. Und Ihr seid der Hüter von Jâr’en, nehme ich an.«
Zögernd ergriff Taramis die dargebotene Hand und wunderte sich. Kirries ritten Donnerkeile, aber keine normalwüchsigen Menschen. »Wie kommt Ihr darauf?«
Bohan zuckte die Achseln. »Der schwarze Stab, Euer Kampfstil und nicht zuletzt der Umstand, dass Kulkan Euch umbringen wollte – Ihr seid Taramis, so ist es doch?«
»Ich würde es vorziehen, wenn Ihr mich Adámas nennt.«
Vom Hinterausgang des Gasthofes erklang ein Ächzen. »Hab ich mir doch gleich gedacht, dass Ihr der verschollene Hüter von Jâr’en seid, schon als Ihr die Heilige Insel erwähntet.«
Inzwischen waren die beiden Männer vor der Treppe angelangt. Ischáh lehnte mit dem Rücken am Türpfosten. Ihre eisblauen Augen ruhten auf Taramis, während sie sich die Beule am Kopf rieb. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, dass ihr offenbar nichts Ernstes fehlte. Mit zwei großen Schritten überwand er die Stufen, um ihr aufzuhelfen.
»Wie geht es Euch?« Er nahm den Stab in die Linke und reichte ihr die andere Hand. Dankbar griff sie zu. Es kostete ihn Überwindung, sich von einer Fremden berühren zu lassen, doch diese kleine Geste der Verbundenheit war er ihr wohl schuldig. Plötzlich geriet sie ins Wanken, die Beine drohten ihr einzuknicken. Rasch schlang er den Arm um ihre Taille.
Sie verzog das Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. »Anscheinend nicht so gut wie erhofft. Ich fühle mich wie durch die Mangel gedreht.«
Er spürte, dass er sie nicht loslassen durfte, wenn sie auf den Füßen bleiben sollte. Der Duft aus ihren Kleidern stieg ihm in die Nase, das für Ganesen so typische Aroma von Kräutern und Farnen mischte sich darin mit den Küchengerüchen. Die unfreiwillige Umarmung war ihm unangenehm. Um die peinliche Situation zu überspielen, zog er wie bei ihrer ersten Begegnung einen Mundwinkel hoch. »Ich kann nur wiederholen, was ich vorhin schon über Eure Treffsicherheit gesagt habe. Danke für Euren Beistand. Für eine Ganesin geht Ihr erstaunlich geschickt mit Pfeil und Bogen um.«
»Mein Mann und ich, wir haben unsere Waren immer selbst ausgeliefert. Als wir begannen zur See zu fahren, brachte er mir bei, wie man Freibeuter und allzu aufdringliche Verehrer auf Abstand hält.« Ischáhs Blick wurde gläsern und ihre Stimme dunkel. »Vielleicht sah er voraus, dass er eines Tages nicht mehr auf mich aufpassen könnte.«
»Ist er …?« Taramis wagte es nicht auszusprechen.
Sie nickte. »Er ist tot. Vor einem Monat erst wurde er ermordet.« Blitzschnell griff sie unter ihre Schürze und förderte ein Stilett zutage. »Aber mich bekommen sie nicht.«
Unwillkürlich ließ Taramis die Ganesin los und trat einen Schritt zurück.
»Damit habe ich nicht Euch gemeint«, erklärte sie rasch und lächelte verlegen. Ihr Blick wanderte zu der Leiche auf den Stufen und dann zu dem verwegen aussehenden Recken. »Und auch nicht Euch, mein Herr. Einer von euch zweien muss meine Haut gerettet haben. Ich stehe in Eurer Schuld.«
»Das war er«, sagte Taramis und deutete auf Bohan, um etwaige Dankesbezeugungen der kühlen Schönheit von sich abzulenken.
Der Donnerreiter verzog keine Miene. »Bevor wir uns alle in den Armen liegen und zu heulen anfangen, sollten wir uns lieber ein verschwiegenes Plätzchen suchen. Drei Spione sind entkommen. Sie könnten schneller mit Verstärkung zurückkehren, als uns lieb sein dürfte.«
»Die Männer interessieren mich nicht«, brummte Taramis. »Ich verlasse die Insel.«
Ischáh lachte. »Und wie bringt Ihr das fertig? Soweit ich mich erinnere, wolltet Ihr auf einem Schwaller anheuern, weil Euch Eure Börse abhandengekommen ist.«
Seine Kiefer mahlten. Nicht nur, dass sie ihren Finger in den wunden Punkt seines Plans legte, sie drehte ihn auch noch genüsslich herum. »Hättet Ihr mich nicht zu Kulkan geschickt …«
»Ich hatte keine Ahnung, was er im Schilde führt«, verteidigte sie sich.
Bohan grunzte. »Also, wenn ihr zwei euch hier umbringen lassen wollt, dann viel Vergnügen. Ich jedenfalls gehe.« Er wandte sich dem Hoftor zu.
»Wartet!«, hielt ihn die Ganesin zurück.
Fragend sah sich der Donnerreiter zu ihr um.
»Es gibt da einen Ort im Hafen, an dem wir eine Weile ungestört sein dürften.« Ein Lächeln stahl sich auf Ischáhs rote Lippen. »Und ich weiß, wo wir einen Donnerkeil finden, der uns von hier fortbringt.«
6. Der Plan
D as Kontor lag unweit des Seetores im Schatten der Stadtmauer. Zugang
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