Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Einer trug ein strahlendes Hemd, das wie Perlmutt in der Sonne irisierte. Erwartungsgemäß stimmten die Drachenmänner ein ohrenbetäubendes Geschrei an und stürzten sich umgehend auf die Eindringlinge.
Taramis hatte mit einer heftigen Reaktion der Kesalonier gerechnet. Als Tempelwächter hätte er auch sofort jeden angegriffen, der sich auf diese Weise dem Hohepriester nahte. Nach langer Beratung waren er und Marnas trotzdem zu dem Schluss gekommen, dass sie nur so überhaupt in die Nähe des Khans gelangen konnten. Sie hatten sich von Aviathan am Rande des Lagers absetzen lassen und waren unter dem Tarnmantel einer kräftezehrenden Gaukelei ungesehen bis zu Bahadurs Jurte gelangt. Jetzt hieß es, besonnen zu bleiben, um sich die Gastfreundschaft des Nomadenführers nicht mit unnötigem Blutvergießen zu verscherzen.
»Kreis!«, rief er. Mehr war für Jagur, Marnas, Gabbar, Pyron und Usa nicht nötig, um die entsprechende Verteidigungsformation einzunehmen. Die Leibwächter liefen mit gezogenen Rundschwertern auf sie zu.
Plötzlich fauchte aus dem niedergetrampelten Steppengras ein Feuerring empor, der die Eindringlinge wie eine Schutzmauer umgab. Die Kesalonier wichen erschrocken zurück.
»Bogenschützen, schießt in die Flammen«, rief ein junger Drachenmann. »Aber gebt acht, dass ihr nicht die Jurte trefft.«
Mehrere Leibwächter zielten auf die Gestalten hinter dem Flammenzaun.
»Um die kümmern wir uns«, sagte Marnas. Er stand Rücken an Rücken mit Taramis. Die beiden Fernwirker konzentrierten sich auf die Waffen der Schützen. Ehe ein einziger Pfeil abgeschossen werden konnte, zerbrachen sämtliche Bogen.
»Springt durch das Feuer«, befahl der Anführer der Drachenmänner.
Säbelschwingend rannten diese auf die Flammenbarriere zu.
»Jagur, Usa«, sagte Taramis nur.
Einige Angreifer befiel sofort eine unwiderstehliche Müdigkeit. Sie schliefen stehenden Fußes ein. Andere wurden jäh geblendet, gerieten ins Stolpern oder tappten blind umher.
Der Erste Leibwächter drehte sich zum Lager um und schrie: »Alarm! Der Khan wird angegriffen.«
»Marnas und ich werden Bahadur einen Besuch abstatten. Könnt ihr uns eine Weile den Rücken freihalten?«, rief Taramis seinen Kampfgefährten zu.
»Hier wird’s gleich ungemütlich«, antwortete Gabbar. »Lasst euch nicht zu viel Zeit, sonst muss ich ein paar Knochen brechen.«
»Dann darf ich aber auch die Breitseite meiner Axt benutzen«, maulte Jagur.
»Ich will nur nicht, dass unser Besuch in einem Blutbad endet. Pyron, Usa, passt auf die beiden Hitzköpfe auf.«
»Falls sie übermütig werden, mache ich ihnen Feuer unter dem Hintern«, antwortete Ersterer so abgeklärt, als wäre er nie ein jugendlicher Heißsporn gewesen.
Taramis gab Marnas einen Wink. Wie schon zuvor warf er über sich und seinen Meister einen Tarnmantel. Für die Drachenleute plötzlich unsichtbar geworden, verließen sie den Kreis. Wenn Bahadur nicht taub war, hatte ihn der Lärm gewarnt. Er würde womöglich auf jeden schießen, der sich am Eingang der Jurte blicken ließ. Daher liefen die zwei zur Rückseite des Zeltes.
Unterwegs spürte Taramis, wie ihn die mentale Kraft verließ. Nach wie vor entzog sich das Drachenfeuer seiner Kontrolle, obwohl er in den letzten drei Tagen unter Anleitung seines alten Lehrers einige vielversprechende Fortschritte gemacht hatte. Notgedrungen vertraute er gänzlich auf seine erprobten Talente.
Blitzschnell bohrte er sein Schwert auf Kopfhöhe in die Filzwand und zog die Klinge bis zum Boden. Mit dem Feuerstab voraus schlüpfte er durch den Spalt, und Marnas folgte ihm.
Bahadur hatte das Geräusch gehört und sich den Eindringlingen zugewandt. Er hielt ein großes Rundschwert in der Hand. Mit wütender Miene wollte er sich gerade auf sie stürzen, als Taramis’ Meister sich zu erkennen gab.
»Haltet ein, Khan! Ich bin es, Marnas von Zeridia.«
Der Nomadenführer keuchte. »Ihr! Wie könnt Ihr es wagen, in mein Zelt einzudringen?«
»Als Euer Bezwinger beanspruche ich das Gastrecht für mich und meine Männer.«
»Welcher Dämon hat Euch denn geritten! Ihr seid mein Feind.«
»Euer respektierter Feind«, sagte Marnas seelenruhig. »Ich kenne Eure Sitten und weiß, dass Ihr mein Leben schützen müsst, sofern Ihr nicht vor Euren Leuten das Gesicht verlieren wollt.«
Bahadur deutete mit dem Schwert auf Taramis. »Das gilt aber nicht für den da. Ist er wirklich der, für den ich ihn halte?«
»Es ist der Mann, der Euch und Euren
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