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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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die Lager auf dieser Insel?«, antwortete Shúria ausweichend.
    Kaya lächelte verstehend. »Es kommt darauf an, ob du es aus Sicht der Drachenleute oder der Feuermenschen betrachtest. Für die Kesalonier sind wir Arbeitssklaven. Wir spinnen Garn aus den Fäden des Kesalonischen Seidenspinners.«
    »Einer Raupe?«
    »Nein, eine winzige Spinne, die nur in den Bäumen dieser Insel lebt und dort hauchfeine Gespinste baut. Die Tiere sind sehr giftig, weshalb das Melken der Fäden eine hohe Kunst ist.« Kaya ließ Shúria los und zeigte ihre beweglichen Finger. »Wir besitzen ein gewisses Talent für solche Arbeiten.«
    »Was hast du in deiner Heimat getan?«
    »Ich war Eisschnitzer … Verzeihung, Eisschnitzer in. «
    »Ist das ein Handwerk oder eine Gabe?«
    »Beides. Ich kann Eis mit meinen Händen und mit meinem Geist formen. Bei mir zu Hause ist das keine Seltenheit. Ybia – der Herrscher von Zior – besitzt sogar die Fähigkeit, Eisfiguren vorübergehend zum Leben zu erwecken.«
    »Und wie kamst du hierher?«
    Kayas große Augen blickten mit einem Mal traurig. »Der Tyrann hat mich mit vielen anderen Sklaven an König Gaal verkauft, der uns hierherbringen ließ. Man brach uns die Schwungarme, damit wir nicht wegfliegen können.«
    »Die Insel der gebrochenen Flügel«, murmelte Shúria und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Es ist buchstäblich gemeint.«
    »Und im übertragenen Sinn: Jeder Wille und Wunsch nach Freiheit soll hier gebrochen werden. Mich haben sie trotzdem nicht kleingekriegt. Mein Name bedeutet im Dialekt von Zior so viel wie ›Bleib stehen und weiche nicht zurück‹. Ich habe mich auf meine Weise um Standhaftigkeit bemüht und bin so oft weggelaufen wie sonst niemand auf dieser Scholle – deswegen sitze ich jetzt im Kerker. Manchmal konnte ich mich wochenlang vor den Häschern verstecken. Ich kenne etliche Schlupfwinkel und die verschiedenen Lager, wo Frauen aus fernen Inselreichen gefangen gehalten werden.«
    »Gibt es auch welche aus Komana?«, entfuhr es Shúria. Ihr war eingefallen, was Siath ihr in Peor anvertraut hatte. Die Ganesin war von Gaal in Gestalt des Oberpriesters Eglon geschwängert worden und hatte das fischköpfige Kind abtreiben lassen.
    »Viele sogar«, antwortete Kaya. »Wie sie mir erzählten, hatte man sie in Feueröfen geworfen und zum Schein verbrannt. In Wahrheit waren sie durch geheime Ausgänge vor den Flammen gerettet worden, um sie hierherzuschleppen und für ihre abscheulichen Machenschaften zu nutzen.«
    »Du meinst die Dagonisier? Sie nehmen die Gestalt normaler Männer an und besteigen die Sklavinnen, habe ich recht?«
    Kaya blickte zu Boden und nickte. »Ihnen geht es nur um die Kinder. Es sind Bastarde, die Kiemen und Lungen haben. Uns Flügelmenschen schätzen die Antische aus irgendeinem Grund besonders. Einmal im Jahr verwandeln sich ihre Seelenfresser in die Zioranersklaven, die sie zuvor ermordet haben. Sie blasen ihre Pollen in große Glasballons, und wir müssen das Gleiche tun, wohl, damit geflügelte Feuermenschen daraus entstehen. In wenigen Wochen, sobald der Sommer beginnt, ist es wieder so weit.«
    »Wieso Pollen?«, wunderte sich Shúria.
    Kaya erklärte ihr, wie sich das Volk der Zioraner fortpflanzte. Shúria musste unweigerlich an die Berichte ihres Bruders und des Hohepriesters über die Saat der Finsternis denken. Hoffentlich nahm Lauris bald Verbindung zu ihr auf. Wenn sie ihm von dieser gewaltigen Verschwörung berichtete, schaffte er es vielleicht, die Mitteilung an einen Geistboten der Heiligen Insel zu übermitteln.
    »Worüber grübelst du nach?«, fragte Kaya.
    »Was?«, blinzelte Shúria.
    »Deine Stirn ist voller Falten.«
    Sie lächelte. »Ich eigne mich nicht gut als Spinnenmelkerin. Ob du mir wohl bei der Flucht helfen könntest?«
    »Wozu? Ohne Schwaller, der dich von hier wegbringt, würden sie dich bald wieder einfangen. Wahrscheinlich töten sie dich dann, weil du für sie nicht so wertvoll bist wie ein Flügelmensch.«
    »Ich wüsste vielleicht einen Weg, wie wir von dieser Insel wegkommen. Dazu müssten wir nur erst aus der Festung entkommen.«
    Kaya grinste. »Das sollte nicht so schwierig sein.«

28. Gefährliches Spiel
    S ie erschienen wie aus dem Nichts. Bahadurs Leibwachen musste es wie ein Albtraum erscheinen: sechs schwer bewaffnete Männer unmittelbar neben dem Zelt des Khans. Die Fremden hatten Schwerter, Langbogen, einen seltsamen schwarzen Speer ohne Stahlspitze und eine riesige Streitaxt.

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