Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Reitern auf Barnea eine empfindliche Niederlage zugefügt hat. Damit kann er dasselbe Recht beanspruchen wie ich.«
»Er hat meinen Sohn Sakim getötet«, brüllte der Khan.
»Nachdem Ihr ihn in den Kampf gegen den größten Krieger von Berith geführt habt. Wir beide haben viele Schlachten gesehen, Bahadur, und wissen, dass Menschen sterben, wenn man zu den Waffen greift. Oder hättet Ihr die Familie von Taramis verschont?«
Der Nomadenführer wich dem harten Blick des alten Recken aus. Es war allgemein bekannt, dass die Drachenleute beim Niedermetzeln von Dorfbewohnern keinen Unterschied zwischen Alt und Jung oder Mann und Frau machten. »Meiner Meinung nach hat Taramis den Kampf verloren. Er ist mit seinem Zwerg vor uns geflohen«, brummte er.
Marnas schüttelte den Kopf. »Ich kenne Eure Schliche, Bahadur, und warne Euch davor, Taramis die Gastfreundschaft zu verweigern. Eure Gegner warten nur darauf, Euch die Ehre abzusprechen.«
»Wer behauptet denn, dass ich Gegner habe?«
»Zeigt mir einen Anführer, der keine Neider und Rivalen hat. Und jetzt bitte ich Euch, geht hinaus und ruft Eure Männer zurück. Andernfalls wären wir gezwungen, das Recht Eures Volkes mit Gewalt einzufordern.«
»Ihr droht mir?«, knurrte Bahadur.
Marnas lächelte. »Ich bin ein Freund des offenen Wortes. So lassen sich Missverständnisse am besten vermeiden.«
Das tätowierte Gesicht des Kesaloniers wirkte wie eine hölzerne Maske. Nur seine Augen funkelten voller Feindseligkeit. Taramis konnte sich vorstellen, was im Kopf des stolzen Mannes vor sich ging. Ausgerechnet im Regelwerk des Drachenvolkes hatte ihn Marnas gefangen. Das war ärgerlich. Aber selbst ein Großkhan stand nicht über dem Gesetz.
Nach kurzem Zögern fügte sich Bahadur ins Unabänderliche. »Zu Eurer eigenen Sicherheit bleibt Ihr besser hier. Ich werde draußen meiner Leibwache Bescheid geben, dass wir Gäste haben. Eure Männer bringe ich dann gleich mit.«
Innerlich kochte Bahadur vor Zorn. Ausgerechnet der Mörder seines Erstgeborenen forderte das Gastrecht für sich. Dieser Taramis ahnte ja nicht, auf welch gefährliches Spiel er sich da eingelassen hatte. Sollte er doch glauben, alles unter Kontrolle zu haben. Nein, dachte der Khan, ich werde mir vor dir und deinen Gefährten keine Blöße geben.
Äußerlich ruhig spielte er den aufmerksamen Gastgeber. Er bot den Zeridianern und dem grimmigen Zwerg einen Platz am Fuße seines Teppichhügels an, bestellte für sie die besten Speisen und Getränke, gab sich gelöst wie im Kreise guter Freunde. An den Zeltwänden ringsum standen Timur und elf seiner auserlesensten Krieger. Zumindest Marnas würde dieses Aufgebot an Leibwächtern richtig einzuordnen wissen. Sie waren ein Symbol der Macht des Großkhans.
»Kennt Ihr vergorene Stutenmilch?«, fragte Bahadur.
»Wir haben Höhlenschafe, aus deren Milch wir ein berauschendes Getränk herstellen«, erklärte Jagur.
»Ihr seid Schafhirte?« Es gelang dem Khan nicht ganz, seinen Abscheu zu verbergen.
»Ich bin Donnerreiter«, antwortete der Zwerg in nicht eben freundlichem Ton.
»Das scheint mir eher eines Mannes würdig zu sein. Seid Ihr auch auf einem Donnerkeil nach Kesalonien geschwallt?«
»Eigentlich hatte ich ein paar Fragen an Euch , Khan Bahadur«, beendete Taramis das Geplauder. Der Zeridianer war sichtlich um seine Beherrschung bemüht.
»So?«, gab sich der Gastgeber überrascht. »Nun, in meinem Zelt dürft Ihr freiheraus sagen, was Euch auf der Seele liegt. Ich will Euch gerne Rede und Antwort stehen, soweit es in meiner Macht steht. Bitte sprecht!«
»Danke. Ich bin zu Euch gekommen, um meine Gemahlin mitzunehmen.«
»Für ein Weib nehmt Ihr eine so beschwerliche Reise auf Euch?«, wunderte sich der Khan.
»Shúria wird von meinem Sohn Ari und einem halben Dutzend anderer Personen begleitet, darunter einer weiteren Frau, einer Ganesin. Ihr gehört der Donnerkeil, mit dem die Gruppe vor gut zweieinhalb Wochen nach Kesalonien aufgebrochen ist.«
Bahadur merkte, wie seine Gesichtszüge förmlich versteinerten. Der Gedanke, dass acht Spione durch sein Reich schwallten und womöglich das Heerlager entdeckten, misshagte ihm zutiefst. Mitleidloser als beabsichtigt sagte er: »So etwas passiert, wenn man Weiber von der Leine lässt.« Taramis’ Hand senkte sich auf den schwarzen Stab, der neben ihm auf dem Teppich lag. Seine Augen versprühten so viel Feindseligkeit, dass der Khan lächelnd hinzufügte: »Ich habe schon gehört, dass sich
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