Die Zufalle des Herzens

Titel: Die Zufalle des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fay Juliette

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wahrhaftig nicht verteidigen, Morgan«, sagte Dana leise. »Aber als er es vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal gesagt hat, war ich dabei, und ich weiß, dass er es ernst gemeint hat. Er hatte die besten Absichten, genau wie ich. Aber manchmal nützen selbst die besten Absichten nichts. Sehr oft nützen sie was, aber manchmal eben nicht. Und es tut mir leid, dass du das schon so früh im Leben hast lernen müssen, wirklich. Dad zu hassen, wird dir jedoch nicht helfen.«
    »Woher weißt du das? Vielleicht hilft es ja doch.«
    »Weil ich es versucht habe. Es ist so, wie wenn du eine große Packung Eis isst. Zuerst fühlst du dich für eine Weile besser, aber am Ende geht es dir noch schlechter.«
    Darauf sagte Morgan nichts. Dana konnte die kleinen Styroporkügelchen in dem Hershey-Kissen knirschen hören, wenn Morgans Finger sie gegeneinanderrieben.
    »Liebes, was ist denn passiert, als du das Ehegelübde gehört hast? Hast du dich geärgert?«
    »Ich hab geweint – nicht laut oder so. Niemand konnte mich hören. Aber Polly hat neben mir gesessen, und sie ist ganz nah an mich rangerutscht und hat den Arm um mich gelegt.«
    »War das gut?«
    »Na ja … du kennst Polly ja. Sie packt einen so fest, dass man kaum noch Luft kriegt. Irgendwie hat es sich schon gut angefühlt. Ich hab gedacht, ich würde gleich ausflippen und es würde peinlich werden. Aber sie ist so stark – ich glaube, sie hat Gewichtheben gemacht. Es war, als hätte ich eine Superheldin neben mir in der Kirchenbank.«
    Danke Polly , dachte Dana. Ich danke Gott für dich .
    »Seid ihr wieder Freundinnen, du und sie?«, fragte Morgan.
    »Wir sind auf dem Weg dahin«, sagte Dana. »Manchmal, wenn jemand dich richtig enttäuscht, brauchst du eine Auszeit, egal wie sehr es dem anderen leidtut. Aber ich glaube, die Auszeit geht allmählich zu Ende.« Sie drückte Morgan und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Morgen schläfst du aus, ja?«
    Sie war fast schon an der Tür, als Morgan sagte: »Warte mal, ich muss dir noch was erzählen. Ich hab das Wolfreferat zurückgekriegt. Meine Lehrerin fand es echt gut, und ich hab alle Zusatzpunkte bekommen.«
    »Das ist ja toll, mein Schatz! Darf ich es lesen?«
    »Es ist in meinem Schulranzen unten.«
    Dana ging hinunter zum Seiteneingang und entdeckte es schließlich hinter Büchern, einer Wasserflasche, einer feuchten Kapuzenjacke und einer Sportsocke. Sie nahm das Referat mit ins Arbeitszimmer, holte ihre Lesebrille und setzte sich an ihren Schreibtisch.
    »Der amerikanische Grauwolf: Jäger oder Gejagter?«, las sie. »Von Morgan Stellgarten.« Die Lehrerin hatte »A+, 105/100. Sehr schöne Arbeit, Morgan!« daruntergeschrieben. Der erste Teil war gegliedert in Geschichte, Jagd- und Kommunikationsfertigkeiten, soziale Hierarchie und Status des Grauwolfs als gefährdete Art. Er hatte keine anderen Feinde als den Menschen, der die Spezies fast vollkommen ausgerottet hatte. »In zwei Staaten darf der Wolf immer noch jederzeit getötet werden, obwohl er gefährdet ist. Diese Leute müssen Wölfe wirklich hassen.«
    Der zweite Teil trug den Titel: »Zusatzpunkte: Vergleich zwischen dem Wolf und einer anderen gefährdeten Art, dem Menschen.«
    Dem Menschen?, dachte Dana. Das ist aber ein schwieriges Thema.
    »Die wenigsten Leute halten den Menschen für eine gefährdete Art«, schrieb Morgan. »Vielleicht tut das niemand. Mensch zu sein ist aber sehr gefährlich. Es gibt keine anderen Tiere, die einander böse sind, die Bomben bauen oder einen Großteil der Zeit darüber nachdenken, wie sie sich gegenseitig verletzen können, so wie Menschen es tun. Wir sind viele, deshalb glaubt niemand, dass wir in Gefahr sind. Das sind wir aber.
    In vielerlei Hinsicht unterscheiden sich Wölfe von Menschen. Wenn man nicht ein Mensch, sondern ein Wolf ist, weiß man immer, wo man steht. Man ist entweder Alpha oder ein zölibatäres rangniederes Tier, und so oder so kennt man seine Aufgaben. Das ist sehr streng, aber dadurch sicherer. Wolfswelpen brauchen sich keine Gedanken darüber zu machen, wer für sie sorgen wird. Man wird nicht arbeitslos und muss sich nicht den Kopf zerbrechen, ob das Geld reicht oder man hübsch genug ist.
    In mancher Hinsicht sind Wölfe den Menschen aber auch ähnlich. Die Middle School gleicht einem richtig großen Wolfsrudel, nur ändern sich ohne besonderen Grund oft die Aufgaben. Jeder weiß, wer die Alphas sind, aber morgen könnte das schon anders sein. Die rangniederen Tiere werden gebissen, wenn sie