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Die Zufalle des Herzens

Die Zufalle des Herzens

Titel: Die Zufalle des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fay Juliette
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seiner Stimme hatte eine neckende Zuneigung mitgeschwungen, die über die Grenzen einer Geschäftspartnerschaft oder Freundschaft unter Männern hinauszugehen schien. Dana fragte sich, ob das wohl der Grund für seine Scheidung gewesen war.
    Sie fuhr unter einem blauschwarzen Himmel dahin, und um halb sechs leuchteten bereits die Straßenlaternen. Wie schon das ganze Wochenende über war ihr zumute, als könnte sie Tonys Arme um ihre Taille und seine Lippen auf ihrer Wange wieder spüren. Trotz der Unklarheit zwischen ihnen hatte es sich so … gut angefühlt.
    Vielleicht zu gut . Im Gegensatz zu dem Kuss auf dem Dach, der bei ihr ein Gefühl der Angst und Verwirrung ausgelöst hatte, hatte die Umarmung auf dem Parkplatz – die Zärtlichkeit, mit der er ihren Schal zurechtgezupft und sie auf die Wange geküsst hatte – sich völlig normal angefühlt. Ohne das Schieben und Ziehen, ohne das unausgesprochene Verhandeln, das sie von Kenneth und anderen Männern her kannte. War die Umarmung geschwisterlich gewesen? Nach gründlicher Überlegung verwarf sie diese Möglichkeit. Vertraut vielleicht, aber nicht wie zwischen Bruder und Schwester.
    Als Dana vor dem Haus der McPhersons ankam, sah sie zwei zusätzliche Autos in der Einfahrt stehen und fragte sich, ob der Besuch wohl zum Abendessen blieb. Zwar hatte sie wie üblich etwas mehr gemacht, aber das würde auch nicht ewig reichen. Eine Fremde machte ihr die Tür auf.
    Â»Ich bin Dana Stellgarten. Und bringe das Abendessen.«
    Die Frau blinzelte Dana an, als verstünde sie kein Wort.
    Â» COMFORT FOOD ?«, sagte Dana. »Sind Mary Ellen oder Dermott da?«
    Â»Oh Gott«, murmelte die Frau. Sie warf einen flüchtigen Blick hinter sich, machte die Tür etwas weiter auf und griff nach der Einkaufstasche. »Hier, geben Sie es einfach mir.«
    Â»Wer ist da?«, kam eine Stimme.
    Â»Nur eine Essenausfahrerin«, rief die Frau zurück.
    Â»Warten Sie!« Mary Ellen erschien in der Tür, die Augen rot gerändert, den Pferdeschwanz halb aufgelöst. »Dana!«, sagte sie. »Ich wusste, dass Sie es sind«, dann fing sie an zu weinen. Als Dana auf sie zutrat, streckte Mary Ellen die Arme nach ihr aus, klammerte sich an sie und schluchzte in anfallartigen Krämpfen. Dana warf der Frau hinter ihnen einen fragenden Blick zu, worauf diese unhörbar mit den Lippen formte: Dermott ist heute gestorben .
    Die Arme umeinandergeschlungen, standen sie in der Tür und weinten minutenlang, es hätten aber auch Stunden gewesen sein können. Zusammengepresst von der verzweifelten Umarmung dieser jungen Witwe kam Dana sich vor, als hätte ihr Inneres sich verflüssigt und alle ihre Sorgen, alle Wünsche, die sie für sich und ihr Leben hegte, wären durch ihre Fußsohlen hinausgesickert.
    Ungefähr eine Stunde zuvor war es passiert. Er hatte sich am frühen Nachmittag zu einem Nickerchen hingelegt und war im Schlaf gestorben. Mary Ellen war gekommen, um nach ihm zu sehen, und konnte die Kinder gerade noch zu einer Nachbarin hinüberschicken, bevor sie es mitbekommen hätten. Minuten später waren die Sanitäter eingetroffen.
    Â»Ich hab dem Fahrdienstleiter gesagt: ›Lassen Sie um Gottes willen die Sirene und das Blaulicht aus – nur so habe ich eine Chance, dass sie es nicht merken‹«, erzählte sie Dana später, als sie an dem mit Filzstiftflecken übersäten Küchentisch saßen. Es waren noch zwei andere Frauen da, Freundinnen, die in der Nähe wohnten und die sie angerufen hatte. Eine von ihnen hatte Mary Ellens Adressbuch vor sich und machte Anrufe; die andere räumte auf, um das Haus auf die Flut von Freunden und Verwandten vorzubereiten, die in Kürze eintreffen würden, um zu weinen und sie zu trösten und wieder zu weinen.
    Â»Ich wünschte nur, ich wäre bei ihm gewesen«, sagte Mary Ellen mit vor Trauer heiserer Stimme zu Dana. »Ich hätte mich auch hinlegen können. Ich war müde. Warum habe ich mich nicht zu ihm gelegt? Vielleicht hätte er etwas gesagt. Aber ich hatte einfach nicht gedacht … Ich hatte wirklich geglaubt, er würde es schaffen!«
    Â»Das konnten Sie nicht wissen«, sagte Dana in beruhigendem Ton. »Und was hätte er sagen können, was Sie nicht schon wussten? Dass er Sie liebte? Dass Sie eine gute Ehefrau sind? Das wissen Sie alles.«
    Mary Ellens Kinn zitterte.

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