Die Zufalle des Herzens
Mal, wenn sie damals eine »Junior-Tüte« rauchte, beschlich sie der Verdacht, dass die anderen sich verschworen, um ihre gewissenhaft verfassten Unterrichtsmitschriften zu klauen. Und ohne sie, davon war sie überzeugt, würde sie von der Uni fliegen, sie würde nie im Leben einen Job finden und müsste von Sozialhilfe leben. »Hände weg von meinen Heften«, sagte sie in einer Wolke von Rauch zu Billy und seinen Freunden, die sich unter krampfartigem Keuchen über sie lustig machten, »und löst gefälligst eure eigenen Gutscheine ein.«
Im Rückblick war ihr Ausflug in die Welt des Marihuanarauchens albern und harmlos gewesen. Doch jetzt, wo ihre geliebte Nichte nachts high durch Cotters Rock zog, schienen die Möglichkeiten für eine Katastrophe unbegrenzt zu sein. Dana griff zum Telefon und wählte.
»Ist es schon vorbei?«, wollte Polly wissen. »Hast duâs überlebt?«
»Ãberlebt?«, fragte Dana.
»Ist heute Abend nicht Morgans Party?«
»Ach so, stimmt. Aber hör mal zu, ich brauche deinen Rat.« Dana wusste nicht so recht, wo sie anfangen sollte. »Hast ⦠hattest du je mit Kindern zu tun, die Marihuana geraucht haben? Natürlich nicht unbedingt deine Kinder, aber ⦠na ja, vielleicht deren Freunde?«
»Rauchen diese Mädels auf Morgans Party etwa Marihuana?« Schon war Polly in Danas Namen erbost. »Dann solltest du auf der Stelle all diese Eltern anrufen und â¦Â«
»Nicht Morgans Freundinnen. Aber ich glaube, Alder könnte ⦠vielleicht ein kleines bisschen ⦠high gewesen sein. Sie ist vor ein paar Minuten reingekommen und war schon wieder weg, bevor ich reagieren konnte. Sie ist nicht mal meine Tochter, Polly, und ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.«
»Gut, als Erstes rufst du sie an und sagst ihr, sie soll zusehen, dass sie heimkommt.«
»Ich weià nicht, wo sie ist«, musste Dana verlegen zugeben, »und ein Handy hat sie nicht.«
»Sie ist sechzehn und hat kein Handy? Ist sie denn â eine Amish?«
»Ich hätte ihr eins besorgen sollen«, schimpfte Dana sich selbst. »Ich weià gar nicht, was ich mir gedacht habe.«
»Hör auf damit! Du bist so nett, das Kind aufzunehmen, und wenn es schlecht ausgestattet ist, tja, dann ist das Sache deiner Schwester.«
»Ich weià nicht mal, wie ihre Freundin heiÃt! Wie konnte ich nur so verantwortungslos sein?«
»Soll ich rüberkommen?«
Das war verlockend. Pollys Bestimmtheit war ungemein tröstlich, fast so gut wie Bratkartoffeln. Doch Dana wusste, dass sie auch eine Belastung sein konnte. »Ach Polly, das ist wirklich nett von dir â aber ich glaube, ich sollte das erst mal selbst probieren und sehen, wieâs läuft.«
Als das Gespräch zu Ende war, klingelte es, und Dana lief zur Tür. Sie wusste, dass Alder niemals klingeln würde, und hoffte dennoch, dass sie es war. Als sie die Tür aufmachte, stand eine Frau auf der Veranda. Sie hatte schulterlanges kastanienbraunes Haar, das ihr auf so lässig perfekte Weise aus dem Gesicht fiel, dass Dana unwillkürlich an eine Werbeanzeige in einer Zeitschrift denken musste. Die Frau trug ein eng anliegendes, blau gestreiftes T-Shirt über ihren Hüftjeans. Morgan hatte dasselbe Shirt in Lila.
»Nora Kinnear«, sagte die Frau mit flüchtigem Blick in die Diele. »Ich komme Kimmi abholen.«
»Oh, kommen Sie doch rein! Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Dana, Morgans Mom.«
Nora Kinnear trat über die Schwelle, blieb dann aber stehen. »Ich warte hier auf sie«, murmelte sie.
Die Spuren, die Lacrosseschläger, Kunstprojekte und fliegende Schuhe an den Wänden der Diele hinterlassen hatten, kamen Dana plötzlich sehr auffällig vor, und für einen Moment ging ihr durch den Kopf, dass sie ihn vor der Party hätte streichen lassen sollen. »Ich geh sie schnell holen«, sagte sie.
Die Mädchen kamen alle zusammen die Treppe hoch und begleiteten Kimmi zur Tür. Sie hatte karamellfarbenes Haar, das sogar im Haus noch zu glänzen schien, und ein paar Sommersprossen auf der Nase, die sie nur noch niedlicher machten. »Das hat so irre Spaà gemacht!«, sagte sie zu Morgan. »Danke, dass du mich eingeladen hast. Ich hoffe, das war dein allerbester Geburtstag überhaupt .« Und sie legte Morgan ihre langen, dünnen Arme â jüngere Ausgaben von
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