Die Zufalle des Herzens
aufmachte, schlug ihr ein Geruch entgegen â so etwas wie gesüÃter Parmesankäse. Fast noch im selben Augenblick erkannte sie den Geruch. Jemand hatte sich übergeben, und der Mageninhalt war nicht kräftig wie heiÃe Würstchen oder sauer wie Joghurt gewesen. Er war süà gewesen. Wie Kuchen. Dana blickte in die Toilettenschüssel und entdeckte innen am Rand Spritzer von etwas unnatürlich Rosafarbenem. Zuckerguss. Darüber gab es keinen Zweifel.
- 13 -
I n dieser Nacht lag Dana im Bett und versuchte, ein wenig Schlaf zu bekommen, konnte sich jedoch von der Angst nicht freimachen, die den Abend über immer gröÃer geworden war. Jetzt war es sicher â und nicht mehr wegzuwünschen: Morgan hatte Bulimie. Alder rauchte Marihuana mit einer namenlosen, potenziellen Lesbe, die eine Schrottkiste fuhr. Und Grady musste sich wie ein mutterloses Kind vorkommen, das allein ins Bett ging.
Das waren Anzeichen. GroÃe blinkende Leuchtschilder, die von Danas Unfähigkeit bei der wichtigsten Aufgabe kündeten, die sie je gehabt hatte. Wie war es dazu gekommen? War sie nicht früher einmal kompetent gewesen? Ihre Beurteilungen als Büroleiterin waren immer glänzend, ihre Zeugnisse immer gut gewesen. Dennoch war ihre Ehe gescheitert, und die Kinder in ihrer Obhut waren gestört. (Na ja, Grady schien nichts zu fehlen, aber wer konnte schon wissen, wie lange das anhalten würde, wenn sie ihn so vernachlässigte wie heute Abend?)
Und jetzt muss ich mir auch noch einen Job besorgen , sagte sie zu sich. Ich muss diese ganzen Probleme lösen und gleichzeitig Geld verdienen . Die Tränen flossen, eine willkommene Befreiung. Es war beruhigend, dass sich immerhin an dieser einen Sache, ihrer Traurigkeit, nichts geändert hatte. Das Schluchzen erschöpfte sie, und sie glitt in eine barmherzige Dumpfheit.
Ma , sagte eine Stimme. Es war ihre eigene, und sie war wieder in ihrem alten Haus in Watertown, Massachusetts, dem Zweifamilienhaus mit ihrer Vermieterin in der oberen Etage. Ma! , rief sie noch einmal, während sie durch die Küche und zur Hintertür hinaus in den winzigen Garten lief. So klein, und doch war alles da. Das Schaukelgerüst und der Sandkasten und das Häuschen, in dem sie Vater-Mutter-Kind spielte und das an der freistehenden Garage lehnte, von ihrem Vater aus Kanthölzern und Sperrholz zusammengenagelt, bevor er ihnen in die leere Hülle seiner traurigen, stillen Welt entglitt.
Ihre Mutter saà auf einer der Schaukeln, die vor und zurück schwangen, und lenkte die sanfte Bewegung mit nackten, ins Gras unter ihr gegrabenen Zehen. »Ma«, rief Dana ihr zu. »Ich kann machen, dass alles wieder gut wird!«
Ihre Mutter hob den Blick, das Gesicht vor Staunen erhellt. »Kannst du?«
»Ja!«, sagte Dana. »Es gibt jetzt diese Pillen.« Die Shorts hingen locker an ihr, keine weiblichen Hüften, die ihre kleine Hand aufhielten, als sie sich in die Tasche schob, um die kühlen, runden Tabletten zu suchen. »Hier!«
»Das sind nur Kieselsteine«, sagte ihre Mutter. »Kieselsteine helfen ihm nicht. Die bringen gar nichts.«
»Nein, Ma, das sind Pillen. Sie bringen ihn zu uns zurück. Mach, dass er sie nimmt!«
»Er ist so traurig«, sagte ihre Mutter, die sich wieder richtig auf eine der Schaukeln setzte und Schwung zu holen begann. »Er wird seine Dunkelheit nicht loslassen. Wirf die Kieselsteine weg und schaukel lieber mit mir.«
»Ma, bitte!«
Als ihre Mutter allmählich schneller wurde und immer höher schaukelte, ertönte vom Haus her Babygeschrei. »Deine Schwester kann nichts anderes als schreien und noch mal schreien«, murrte Ma. »Diesmal holst du sie.«
»Ma, mach, dass Dad die Pillen nimmt!«
»Nimm sie doch selbst.« Und die Schaukel löste sich vom Gestell und segelte hoch in den Himmel, bis ihre Mutter wie ein Ballon, der aus einem ganzen Strauà freigelassen worden war, aus ihrem Blickfeld entschwebte.
Dana wachte vom Klingeln des Telefons auf, das den quälenden Schmerz des Verlassenseins ein wenig zerstreute.
»Sag nicht, dass du immer noch im Bett liegst!«
»Nicht mehr so richtig«, sagte Dana, während sie mit den Fingern durch ihr wirres Haar fuhr.
»Krieg deinen Arsch hoch und komm her!«, befahl Polly scherzhaft. »Ich brauche Bewegung!«
Dana zog ihre Sporthose und ein langärmeliges T-Shirt an. Auf dem Weg
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