Die Zufalle des Herzens
eine ahnungslose Beute.
Morgan stellte die Teller zusammen und ging auf die Tür zu. Als sie ihre Mutter entdeckte, fuhr sie sich mit einem Finger an den Mundwinkel, um sich einen Krümel zwischen die Lippen zu schieben. »Ich wollte noch schnell die Teller abräumen«, sagte sie, während sie den Stapel auf die Küchentheke stellte. Bevor Dana reagieren konnte, zog Morgan den ReiÃverschluss ihrer Jacke hoch und verschwand wieder nach drauÃen.
Die Party ging weiter. Irgendwann hatten die Mädchen genug davon, durch die dunkel gewordenen Winkel des Gartens zu rennen, und verzogen sich in den Keller. Nachdem Morgan Grady hinausgeworfen hatte, spielten sie abwechselnd Tanz-Videospiele und lachten sich über die Drehungen der anderen halbtot. Grady stampfte nach oben und erklärte seine Schwester für ein Arschgesicht, worauf Dana ihn in Alders Zimmer fernsehen lieÃ.
Sie selbst setzte sich an den Küchentisch. Endlich hatte sie einen Augenblick Zeit zum Nachdenken. Allerdings waren es nicht so sehr Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, sondern vielmehr Bilder. Morgan, die vor ihren Freundinnen vorgab, satt zu sein, und sich dann eine Gabel nach der anderen in den Mund schob, ausdruckslos. Ausdruckslos! Sie hatte so glücklich über die Party gewirkt. Was brachte sie bloà dazu, das zu tun?
Ich kenne meine Tochter , sagte sich Dana. Dieser Gedanke hing in der Luft, bis er ihr wie eine Spöttelei erschien, so als säÃe jemand in ihrem Kopf, der sie mit ihren eigenen Worten nachäffte.
Die Haustür ging auf und zu. Dana blickte zur Wanduhr auf, dankbar, dass es erst acht war. Sie hatte Alder kein Limit gesetzt, weil sie keine Ahnung hatte, was heutzutage eine vernünftige Zeit war. Im Ãbrigen hatte Alder immer so reif gewirkt, als hätte sie derartige Einschränkungen ungefähr so nötig wie ein Lätzchen oder einen Schnuller.
Als Alder in die Küche kam, fiel Dana auf, dass ihr Gang anders war. Ihre Gelenke schienen weniger fest eingehängt zu sein. »Hey â¦Â« Sie grinste Dana an. »Wir sind so ⦠wir sind einfach so ⦠hungrig!« Ihr Blick sank auf den Rest Geburtstagskuchen. »Kann ich den haben?«, fragte sie.
»Natürlich«, antwortete Dana im Aufstehen. »Ich schneide dir ein Stück ab.«
»Geht schon.« Sie nahm die Kuchenplatte und machte sich auf den Weg nach drauÃen. »Ich komme ⦠ich weià nicht ⦠später. Aber nicht so ganz spät, okay, Dana?« Sie dehnte das Wort »Dana«, als würde es mit Bindestrich geschrieben. »Tschüss«, fügte sie hinzu, bevor die Tür hinter ihr zuschlug.
Ach du lieber Himmel, was mache ich denn jetzt? , dachte Dana, doch der Kombi war weg, bevor sie ihre Gedanken sortieren und etwas unternehmen konnte. Ich bin mit einem Teenager überfordert ⦠Vielleicht hatte Kenneth recht. Sie dachte daran, ihre Schwester anzurufen, wusste aber, dass Connie empört sein würde â entweder weil sie es zu ernst oder weil sie es nicht ernst genug nahm. Dana konnte sich gut vorstellen, dass sie sagte: Flipp nicht gleich aus, Kinder kiffen nun mal! Aber genauso: Wie konntest du sie nur aus dem Haus gehen lassen!
Nicht dass Dana noch nie jemand Bekifften gesehen hätte. An der University of Connecticut hatte sie Marihuana ausprobiert; damals war sie mit einem Jungen namens Billy zusammen gewesen, der keinen Tag ohne verstreichen lieÃ. Auf einer Party hatte er einmal demonstriert, dass das Bongrauchen im Kopfstand einem massivste Schwindelgefühle bescherte. Dana rauchte nur die ganz dünnen Joints, die er eigens für sie rollte. Er nannte sie »Junior-Tüten« und mochte die Art, wie sie das Gesicht verzog, wenn sie zu inhalieren versuchte.
Billy war ganz und gar nicht ihr Typ gewesen. Er hatte ihr jedoch mit einer Entschlossenheit nachgestellt, die sie verlockend fand, vor allem da ihm ansonsten jede Form von Ehrgeiz zu fehlen schien. Er war süà und beliebt und intelligent, auch wenn er nicht viel daraus machte. Und die Reaktion der Leute, wenn sie sie zusammen sahen, lieà sie heimlich vor Vergnügen erschauern. Sie hoffte, alle würden endlich einsehen, dass sie mehr war als ein nettes Lächeln und ein Durchschnitt von Eins minus.
SchlieÃlich trennten sie sich, weil es unmöglich war, eine normale Beziehung mit Billy zu führen. Dana wollte ihn verstehen, schaffte es aber nie ganz. Jedes
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