Die Zufalle des Herzens
sagen darf.«
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D ie »Ode an die Freude« war eins der ersten Stücke, die Morgan gelernt hatte, als sie zwei Jahre zuvor mit dem Cellospielen begonnen hatte. Nach langem Ãben hatte sie es ihren Eltern vorgespielt. Daran konnte Dana sich lebhaft erinnern: Morgans konzentriertes Stirnrunzeln, während sie sich bemühte, jeden Ton korrekt zu treffen, und ihr vor Stolz gerötetes Gesicht, als sie fertig war und aufblickte, um die Reaktion ihrer Mutter zu sehen. Dem wich ein Ausdruck leichter Empörung, als sie ihren Vater anschaute, dessen Augen sonderbar feucht waren.
»Dad«, hatte Morgan geschimpft, »deine Allergie schlägt wieder zu!«
Zu keiner Reaktion fähig, hatte Kenneth Dana angeschaut. Darauf hatten sie einen Blick gewechselt, ein seltenes Beispiel von reinem, vollkommenem Einverständnis. Ja , hatte dieser Blick gesagt, dies ist wirklich unsere Tochter. Dieses schöne, begabte, menschliche Wesen ist ein Geschenk, und wir haben es geschaffen.
Kenneth hatte nach Danas Hand gegriffen und sie so fest gedrückt, dass sie dachte, er würde ihr den kleinen Finger brechen, was ihr aber egal war. Sie hatte den Druck erwidert und gesagt: »Morgan, kannst du Daddy ein Taschentuch holen?«
»Sieht aus, als bräuchte er eine ganze Schachtel «, hatte Morgan beim Hinausgehen gemurmelt.
Kenneth hatte Dana zu einer raschen, aber kraftvollen Umarmung an sich gezogen. »Danke«, hatte er geflüstert. Es schien das »Danke« zu sein, auf das sie während ihrer ganzen Ehe gewartet hatte â ein Danke für alles, einfach alles. »Dank dir «, hatte sie zurückgeflüstert.
Noch lange nachdem Morgan mit den Kosmetiktüchern zurückgekommen war und sie beide ihre Tochter mit Lob und Zuneigung überschüttet hatten, blieb die ungetrübte Reinheit dieses Augenblicks ihnen erhalten. Noch wochenlang gingen sie fürsorglicher miteinander um und fühlten sich stärker zueinander hingezogen als in den Jahren zuvor. Er rief sie von der Arbeit aus an, um zu erfahren, was sie gerade tat, und sie kochte ihm alle seine Lieblingsgerichte. Tagsüber waren sie liebevoll, nachts leidenschaftlich.
Irgendwann lieà das nach. Ihre Gespräche glitten wieder in die schlichte Vermittlung von Informationen ab: die Klärgrube musste leergepumpt werden; Grady hatte wieder Kontakt mit Giftefeu gehabt. Sie gingen zu unterschiedlichen Zeiten schlafen, nicht mehr zusammen, um noch zu kuscheln. Mit einer bleiernen Traurigkeit erkannte Dana, dass diese Rückkehr zu einer geschäftsmäÃigen Beziehung sie damals nicht überrascht hatte. Sie hatte gewusst, dass sie nie diese Art unauslöschliche Liebe erreichen würden, auf die sie all die Jahre zuvor gehofft hatte. Kenneth war anscheinend zu derselben Erkenntnis gekommen. Kurz darauf, errechnete Dana später, hatte er Tina kennengelernt.
Für Dana war die »Ode an die Freude« aber nicht etwa die Erinnerung an ein Scheitern, sondern sie war zu einem Vorspiel der Hoffnung geworden. Dieses Gefühl völliger Verbundenheit war möglich; wenn sie es ein Mal für diese paar wenigen Wochen mit Kenneth erreicht hatte, würde sie vielleicht irgendwann eine neue Chance bekommen. Beim nächsten Mal würde es dann vielleicht halten.
Dana hatte eingehenden Anrufen von Morgan den Klingelton »Ode an die Freude« zugewiesen. Der ertönte auf ihrem Handy, als sie gerade den Parkplatz der Zahnarztpraxis verlieÃ. Der Anruf war kurz. »Kann ich mit zu Kimmi gehen?«, rief Morgan aus dem lauten Bus.
»Natürlich. Wann soll ich dich abholen?«
»Ich kann dich nicht hören! Ich ruf dich von Kimmi aus an!«
Als Dana auf ihr Haus zufuhr, konnte sie den avocadogrünen Kombi in ihrer Einfahrt stehen sehen. Für einen Moment hatte sie den Impuls weiterzufahren, vielleicht Grady damit zu überraschen, dass sie ihn von der Schule abholte. Aber Grady liebte die Busfahrt nach Hause mit ihrem zuverlässigen Rowdytum. Im Ãbrigen war Jet nur ein Mädchen im Teenageralter, ermahnte sich Dana, und nicht Mitglied irgendeines vorstädtischen Drogenrings. Du kriegst das hin , beharrte sie. Geh jetzt und lerne Alders Freundin kennen.
Die Mädchen waren in der Küche, Jet an ihrem Handy, während sie gesalzene Mandeln aus einer Dose aÃ. »Auf keinen Fall«, sagte sie, geräuschvoll auf den Nüssen herumkauend. »Hey!« Alder stupste sie an,
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