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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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Boden. Ich konnte zwar keine Fußspuren erkennen, aber die Pflanzen hier waren eindeutig niedergetrampelt. Und das bestimmt nicht von Kaninchen und Eichhörnchen. Ich warf Pirscher einen fragenden Blick zu, und er nickte. Sprechen konnten wir erst wieder, wenn wir gefunden hatten, wonach wir suchten, oder wussten, dass der Wald unbewohnt war.
    Egal, was dort zwischen den Bäumen auf uns wartete, ich beschloss, der Spur bis zum Ende zu folgen. Langsam und vorsichtig stieg ich über herabgefallene Zweige und Äste. Wenigstens war es noch so früh im Jahr, dass kein vertrocknetes Laub herumlag, was ein lautloses Fortkommen um einiges leichter machte. Soweit ich wusste, drangen sonst nur die Jäger so tief in den Wald vor, doch suchten wir nicht nach Wild, sondern nach Informationen– die sich am Ende als genauso überlebenswichtig herausstellen könnten wie Nahrung.
    Ich hörte es als Erste: Es war kein Knurren oder Heulen, eher ein leiser Singsang, ein Geräusch, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte. Bleich gab mir zu verstehen, dass er auch nicht wusste, was es war. Wir alle kannten die verzweifelten Todes- und Hungerschreie der Freaks, aber keiner von uns hatte je erlebt, dass sie… sich miteinander verständigten .
    Leider konnte ich mit den Augen immer noch nichts erkennen. Vielleicht waren es ja nur Tiere, die wir noch nie gesehen hatten, so fremdartig, dass wir sie uns nicht einmal vorstellen konnten. Doch je näher wir kamen, desto sicherer wurde ich, und schließlich rochen wir sie. Der Wald stank eindeutig nach fauligem Fleisch und süßlichem Eiter– nach Freaks. Wie konnten sie das nur aushalten? Aber wahrscheinlich gewöhnte man sich irgendwann an alles. Unten hatte ich den unangenehmen Geruch der Tunnel auch nur selten wahrgenommen.
    Ich kauerte mich hin und schob mich auf allen vieren Stück für Stück vorwärts. Es war so still, dass ich meinen eigenen Herzschlag hörte. Wie ein Schmiedehammer dröhnte er in meinen Ohren, und trotzdem konnte ich die anderen beiden hinter mir keuchen hören. Am liebsten hätte ich ihnen gesagt, sie sollten gefälligst still sein, aber das hätte nur noch mehr Lärm gemacht. Es blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzukriechen, bis ich endlich etwas sehen konnte.
    Der Anblick war furchtbar. Es war ein ganzes Dorf. Über hundert Freaks lebten dort wie in einer organisierten Gemeinschaft. Vielleicht waren es sogar noch mehr. Die genaue Zahl war schwer zu schätzen, weil sie ständig hin und her liefen. Sie hatten Hütten und ein Feuer genau wie unseres. Also hatte ich doch recht gehabt. Sie hatten es bei uns gesehen und dann gestohlen, weil sie begriffen, was damit anzufangen war. Vielleicht hatten sie es satt, das frisch erlegte Fleisch blutig hinunterzuschlingen, auch wenn einige von ihnen es immer noch mit offensichtlichem Genuss taten. Einer von ihnen kam erschreckend nahe an unserem Versteck vorbei und kaute an etwas, das aussah wie der Arm eines Menschen.
    Mein Magen rebellierte.
    Aus Ästen und Blättern hatten sie sich kleine Behausungen gebaut. Sie waren schief und hässlich anzusehen, aber es waren eindeutig Hütten. Sie rösteten Fleisch über den Flammen, und der verkohlte Geruch mischte sich mit ihrem eigenen Gestank zu einer übel riechenden Wolke, die sich über die gesamte Lichtung ausbreitete. Und die ganze Zeit über riefen sie einander aus missgebildeten Mäulern etwas zu. Einer fuhr seinem Nachbarn mit der Hand über den Kopf, als würde er ihn streicheln. Aber das Schlimmste waren die kleinen Freaks. Ich hatte mich nie gefragt, wie sie sich vermehrten, geschweige denn je ihre Jungen zu Gesicht bekommen. Was ich hier mit eigenen Augen sah, war der Beweis, dass sie nicht durch giftiges Gas oder eine Krankheit entstanden waren. Sie waren Geschöpfe dieser Welt, genauso wie wir, auch wenn ich keine Ahnung hatte, woher sie kamen.
    Mir wurde schlecht. Ich wollte das nicht sehen. Sie lernten, wurden immer mehr wie wir und hatten sich gleichzeitig schon so weit von uns Menschen entfernt, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie die beiden Rassen je in Frieden miteinander leben sollten.
    Ich zog mich zurück und winkte Bleich und Pirscher hinter mir her. Wir durften auf keinen Fall einen Angriff riskieren, außer wir wollten sterben. Das Herz schlug mir bis zum Hals, während ich zurück zu dem Trampelpfad hastete. Damit hatte ich nicht gerechnet, nicht mit dieser Entdeckung, die ich mir nicht erklären konnte.
    Schweigend schlichen wir dahin, als

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