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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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neigte den Kopf. » Wir machen’s.«
    Ich betrachtete meine Messer. Sie waren blitzsauber und scharf, bereit für den Kampf. » Wenn wir die Freaks aufscheuchen und sie uns hierher folgen, reißt Draufgänger uns den Kopf ab.«
    » Dann dürfen sie uns eben nicht entdecken«, erwiderte Pirscher.
    » Und wenn sie es doch tun, schaffen sie es nicht lebend bis hierher«, fügte Bleich hinzu.
    Ich fragte mich, was ich tun würde, wenn ich auf ein Lager voll schlafender Freaks stoßen sollte. Ihnen allen die Kehle aufschlitzen? Die Antwort fiel mir nicht schwer und warf wiederum die Frage auf, wer die schlimmere Bestie war: ich oder die Kreatur, die das Feuer gestohlen hatte.
    Aber das heißt noch lange nicht, dass die Freaks plötzlich wissen, was Gnade ist. Vielleicht hat er genau gewusst, er würde nur überleben, wenn er sich klammheimlich wieder davonstiehlt.
    Es war eine beängstigende Vorstellung, was die Freaks mit einem brennenden Ast alles anstellen könnten. Soweit ich wusste, kochten sie das Fleisch nicht, das sie fraßen. Andererseits hatte der Dieb auch nicht so gestunken, wie ich es von seinen Artgenossen kannte. Vielleicht war es doch etwas anderes gewesen, ein missgebildeter Mensch zum Beispiel, der verstoßen in den Wäldern lebte.
    Hoffentlich … Aber wir werden es bald genug herausfinden .
    Nach Einbruch der Dunkelheit schlichen wir uns unbemerkt an den Wachen vorbei. Natürlich machten wir unsere Sache gut, aber ich war trotzdem schockiert, wie leicht es war. Sie bekamen nicht das Geringste mit, und dabei waren sie nicht einmal eingeschlafen. Pirscher schüttelte nur den Kopf, als wir uns am Fuß des Hügels entlang Richtung Wald schlichen. Vom Wachturm aus gesehen waren wir hier im toten Winkel. Am Morgen würde ich Draufgänger auf die gefährliche Lücke hinweisen.
    Aber im Moment diente sie unseren Zwecken hervorragend.
    Das ständige Herumsitzen war nichts für mich, und ich war froh, endlich wieder etwas tun zu können, selbst wenn unser Anführer uns keinen Befehl dazu gegeben hatte. Vielleicht hätte er es getan, überlegte ich, wenn er wüsste, wie gut wir darin sind, uns unbemerkt und lautlos zu bewegen. Wir waren zwar nicht an die Bäume gewöhnt, denn Bleich und ich kamen aus den Tunneln, und Pirscher war in den Ruinen der Stadt aufgewachsen; trotzdem waren wir geschickt genug, die Dunkelheit und die Geräusche der Nacht zu unserem Vorteil zu nutzen.
    Ich ging voraus und bahnte uns einen Weg durch das Dickicht. Die Blätter und Äste hielten das Mondlicht beinahe vollständig ab, aber ich konnte trotzdem gut sehen. Die Dunkelheit war mein Zuhause, ich war in ihr aufgewachsen. Ich bemerkte eine kleine Lücke im Gestrüpp und kroch hindurch. Aber je länger ich meinen Blick über den Waldboden schweifen ließ, desto mehr kam es mir so vor, als wäre genau hier schon oft jemand durchgekommen. Das Laub war flachgedrückt, der Boden darunter vollkommen glatt. Ich kniete mich hin und befühlte die Erde mit den Fingern, als könnte ich so spüren, wer vor uns hier entlanggeschlichen war. Doch ich fürchtete, tief in meinem Herzen wusste ich es bereits.
    Die Nachtvögel sangen, und Eichhörnchen schnatterten. Mittlerweile kannte ich die Namen der Kreaturen, deren Welt ich nun teilte. Manchmal ernährte ich mich von ihnen, aber immer bewunderte ich sie, bewunderte das Leben, das hier so prächtig gedieh.
    Wir schlichen weiter, und die Blätter der Gewächse um uns herum leckten an unserer Haut. Ich hoffte nur, dass keine von diesen Kratzpflanzen dabei war. Wir wussten aus eigener, bitterer Erfahrung, was für einen grässlichen Ausschlag sie verursachten. Das Einzige, was dagegen half, war in dicken Schichten nassen Schlamm auf die Haut zu packen, und darauf war ich nicht gerade scharf.
    Jetzt ist es zu spät zum Umkehren. Wenn juckende Haut das Schlimmste es, was wir von dieser Unternehmung davontragen, haben wir sowieso Glück gehabt.
    Wir drangen immer weiter in eine fremde Welt vor. Als wir das Holz für den Wachturm geholt hatten, waren wir nicht so tief in den Wald hineingegangen, um einen langen beschwerlichen Rückweg zu vermeiden. Beklommenheit stieg in mir auf– nicht wegen der Dunkelheit, sondern wegen der immer näher rückenden Bäume. Ihre Gegenwart war irgendwie beunruhigend. Sie kamen mir vor wie Raubtiere, die uns stumm und regungslos beobachteten, um genau dann zuzuschlagen, wenn wir am wenigsten damit rechneten.
    Ich kniete mich erneut hin und inspizierte noch einmal den

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