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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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und die Hände des noch immer unaufhörlich Brabbelnden machten keine Anstalten, sich noch irgendwo festzuklammern.
    Bis in diese Zeile habe ich kein einziges Mal darüber nachgedacht, warum mein Blick damals zwischen dem fast gemächlich wegtauchenden Leib und Mirmirs Gesicht hin und her zuckte. Nun aber, nachdem sie mich in ihrer heutigen Gestalt ins Gebet genommen hat, ist mir klar: Nie hat sie schöner für mich ausgesehen als damals. Und noch etwas muss ich Euch gestehen: Wir besitzen hier, in den oberirdischen Gebäuden und in den Kammern, die rundum in den lehmigen Grund gegraben sind, nirgends ein Stück Glas oder Metall, das nach Eurem hohen irdischen Maßstab die Bezeichnung Spiegel verdient. Meine Mutter,die Eure Spiegel wie wir alle nur aus einer kleinen Geschichte kennt, die das Große Palaver überliefert, hat diesen Mangel, wenn sie ihr Haar über einer Fliese aus poliertem Glanzstein richtete, oft mit wenigen dürftigen Worten bedauert. Auch die hochrespektable Barmherzige Schwester, zu der Mirmir geworden ist, könnte der Vagheit dieser Klage vermutlich nichts Wesentliches hinzufügen. Allein ich, der heimlich alle sechsundfünfzig Heiligen Bücher studiert hat, wäre heute Nachmittag, bevor sich der wuchtige Leib, in dem sich meine einstige Mirmir verborgen hält, hinausschob, in der Lage gewesen, auswendig eine längere Passage zu zitieren, die einiges mehr, die staunenswert viel über die Freuden und Schrecken erzählt, die ein irdischer Spiegel, ein Spiegel aus geschliffenem, auf der Rückseite mit Aluminium behauchtem Glas, zu spenden vermag.

Vierte Schreibnacht
    E s ist ein Segen, dass unsere Kleinen nur ganz selten den Beistand des Sonnenhauses brauchen. Kopfschüttelnd, erneut von banger Verwunderung erfüllt, habe ich eben im vierzehnten Buch nachgelesen, wie anders es sich bei Euch verhält. Seit Smosmo mich zum Nothelfer berufen hat, musste ich heute erst zum zweiten Mal Hand an ein Kind legen. Das erste Mal hatte ein Junge am Werktisch des Kugelhauses zu heftig mit dem kleinsten Steinhammer ausgeholt und sich eine Schramme in die Stirn geschlagen.
    Vielleicht liegt die Wohlbehaltenheit unserer Knaben und Mädchen daran, dass sie nie allein gelassen werden und daher auch nirgends auf eigene Faust umherstreifen. Schon wenige Tage nach der Geburt nimmt die Mutter ihr Kind im Tragetuch mit in den Dienst. Mit einer eigentümlichen Überschärfe glaube ich, mich daran zu erinnern, wie ich als Säugling aus wohligem Schlaf zu mir kam und über den grobfasrigen Rand eines solchen Tuchs auf die arbeitenden, auf die mit einem schmalen Spaten behutsam grabenden Hände meiner Mutter lugte.
    Bis in den Beginn ihres Sterbens hinein war sie als Altfinderin tätig, und bevor ich in meine eigene Arbeit bestellt wurde, war ich nachmittags, sobald der Unterricht vorbei war, ihr kindlicher, dann jugendlicher Gehilfe. Noch heute gerate ich regelmäßig in Versuchung, ausführlich vom Tunmeiner Mutter zu berichten. Toctoc, der mir seit Mirmirs Erhöhung der Liebste unter meinen Kollegen ist, musste schon manchen Ausbruch dieser Art erdulden. Vorgestern, als wir auf dem Rückweg von den Glasmachern waren, gerieten wir zwangsläufig erneut in die unmittelbare Nähe der Grauen Gruben. Und weil nun meine Hände den Doppelroller steuerten, konnte ich unser Fahrzeug an den Rand der Lavabahn lenken. Gemeinsam schauten wir in die aufgegebene, weil restlos ausgebeutete Fundstätte hinunter, und es schmerzte mich, Toctoc nicht sagen zu dürfen, dass diese weite, von Grabungslöchern übersäte Kuhle, wenn es bei uns nach Euren Bräuchen ginge, den Namen meiner Mutter tragen müsste.
    Wieder und wieder habe ich mir als kleiner Junge bis in die schönste Einzelheit erzählen lassen, auf welche Weise sie das Verschüttete entdeckte. Alles war tief unter kleinteiligem Geröll und grauem Staub begraben, keines der üblichen Zeichen, kein Buckel, keine Mulde, nicht das Aufblitzen eines einzigen winzigen Metallsplitters wies auf den verborgenen Schatz hin. Meine Mutter griff sich, wenn sie mit der verlangten Geschichte begann, stets mit beiden Händen an die Schläfen, um mir erneut vorzumachen, wie sie damals ihre Staubschutzbrille abgenommen hatte, um deren Gläser sauber zu pusten. Es dunkelte bereits. Zusammen mit einem erfahrenen Kollegen war sie auf dem Rückweg in die Kolonie. Ergebnislos hatten sie an einer anderen Stelle harten Boden großflächig aufgehackt und knietief abgetragen, weil vorbeikommenden Allesmachern

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