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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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darunterliegenden Schuppen abgehebelt werden, lag bereit.
    Die Verletzte und der Schuldige weilten im Nebenraum. Girrgirr, der unterrichtende Nothelfer, hatte die beiden in seine Obhut übernommen. Ich weiß nicht, was Smosmo, während er noch im Kugelturm lehrte, in diesem besonderen Fall unternommen hätte. Girrgirr, der von Smosmo nach dessen Berufung zur Barmherzigen Schwester zum neuen unterrichtenden Nothelfer bestimmt wurde, ist vermutlich kein schlechter Lehrer. Ein einziges Mal habe ich ihn, den einschüchternd Hochgewachsenen, im Haus Für Alle mit zwei Erstlingen sprechen hören. Die kurzangebundene Schroffheit, mit der er nicht nur mich regelmäßig vor den Kopf stößt, schien dabei ganz einer glaubwürdigen, fast traurigen Freundlichkeit gewichen.
    Girrgirr hatte dem Jungen befohlen, der Verletzten die Füße zu massieren. Die Kleine presste sich ein großes Stücknasses Mockmock-Leinen gegen den Mund. Girrgirr hielt uns auf der flachen Hand den Zahn hin, der ihr ausgeschlagen worden war. Toctoc und ich schnauften erleichtert auf, als wir sahen, dass es sich um einen Milchzahn handelte. So blieb uns also erspart, dem Übeltäter, wie es das Gesetz vorschreibt, auf der Stelle die gleiche, gleichermaßen sichtbar bleibende Versehrung zuzufügen. Der Junge würde mit einer schlichten Tracht Prügel davonkommen.
    Allerdings machte meine Erleichterung neuer Besorgnis Platz, als das Mädchen den blutbefleckten Stoff aus dem Gesicht nahm, als der Junge ängstlich zu uns aufsah und ich beide fast mit demselben Blick erkannte. Die Kleine war die Schwester des schuldig Gewordenen, genauer gesagt: sein ihm zugefallenes, also besonders schützenswertes Schwesterchen nach dem Gesetz. Geschwister aus einer Mutter, die im Alter dicht beieinander liegen, sind bei uns selten. Die dickschädligen Brüder, die im Abstand von einem Sonnenjahr geboren wurden, sind das einzige derartige Brüderpaar, das ich näher kenne, und manche behaupten, dass ihre Missratenheit daher rührt, dass ihre Mutter, als der Ältere ihren Leib rundete, den Jüngeren bereits als winzigen, aber gierig zehrenden Keimling in sich trug. Auch ich habe lange an dieses doppelte Verweilen geglaubt. Erst beim Studium der Heiligen Bücher ist mir, ich gestehe es Euch beschämt, klar geworden, was für eine Dummheit, welch lächerlicher Aberglaube sich hierin offenbart.
    Toctoc hat mir einmal verraten, dass es unter den Allesmacherinnen, die im Haus Für Alle mit der Mockmock-Zubereitung beschäftigt sind, drei fast gleichaltrig wirkende Schwestern gibt. Und als sich im Eßsaal eine Gelegenheit ergab, hat er mir die Frauen sogar nacheinander gezeigt, aber ich konnte, verhohlen zu ihnen hinüberlugend, keine ungute Ähnlichkeit feststellen. Vielleicht wird es mir nie gelingen, Geschwister, wie ihr es offensichtlich tut, für etwaszu halten, was ohne besondere Begründung oder Rechtfertigung in der Welt sein darf. Den Gedanken, einen Bruder oder gar eine Schwester mein Eigen zu nennen, kann ich noch, halbwegs ruhig bleibend, in geschriebene Wörter fassen, aber die Vorstellung, dass meine Mutter, um eine solche Zweisamkeit zu ermöglichen, noch ein weiteres Kind aus sich herausgeboren haben soll, diese unfassbare Wiederholung, erfüllt mich auch jetzt, hier in der Sicherheit dieser Zeile, mit verstörendem Unbehagen.
    Nachdem das Mädchen versorgt war und die beiden vor unseren Augen wieder bei den anderen Platz genommen hatten, bat uns Girrgirr noch auf den üblichen Mockmock-Trunk zurück in den Nebenraum. Aber als wir dort saßen und die weißen Schlieren in unseren Schalen betrachteten, schien ihm der Abstand zu den Kindern wohl noch zu gering, und wir gingen eine Tür weiter, hinaus ins Freie. Die Wolkenschicht war ungewöhnlich dünn, dunstig, nicht vollrot, sondern gerade mal rosafarben, das Mittagslicht so stechend, dass wir unsere Staubbrillen aufsetzten. Auch diesen Augenschutz verdanken wir Freund Mockmock. Die innere Schicht der Lederhaut lässt sich in Fetzen ablösen, welche, eingelegt in Blausteinwasser, schnell aufquellen und allmählich durchsichtig werden. Eine gute Staubbrille hält fast ein Sonnenjahr, wird dann aber unweigerlich, nicht selten binnen eines Tages, rissig und trüb. Die Brille, die sich Girrgirr auf die Nase gestülpt hatte, war in diesem Endstadium angelangt, und als er zu reden anhob, beschlich mich der Verdacht, dass ihm ihre Halbdurchschaubarkeit gerade recht kam.
    Ohne Zögern sprach Girrgirr den heiklen Punkt des

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